Kate Perugini


wurde am 29. Oktober 1839 geboren als drittes Kind eines damals schon sehr berühmten Vaters: Charles Dickens. Der war bei ihrer Geburt 27 Jahre alt und seit drei Jahren mit seiner Frau Catherine verheiratet.

Er hatte sich sehr über sein ältestes Kind, Charly, gefreut, er freute sich über die Geburt von Mary, im Jahr darauf, er freute sich über die kleine Kate und er war auch noch erfreut über die Ankunft von Walter, ein gutes Jahr später.

Von da ab hielt sich seine Freude ein wenig in Grenzen. Er sagte später, mit vier Kindern hätte es gut sein können.

Doch nach einer kurzen Pause erschienen 1844, 1845, 1847 und 1849 Frances, Alfred, Sidney und Henry. Die dritte Tochter Dora, 1850, starb schon als Baby. Schließlich kam noch Plorn (eigentlich Edward), der jüngste Sohn, 1852.

Catherine Dickens fühlte sich nach zehn Geburten ein wenig echauffiert. Was sie noch mehr anstrengte, war ihr Gatte. Der war nicht nur immens erfolgreich, sondern auch brillant, charmant, wach, beweglich, ununterbrochen aktiv. Wenn er nicht gerade an einem seiner berühmten Romane schrieb, arbeitete er an seiner eigenen  Zeitung, förderte aufs Wohltätigste arme Menschen jeder Art, hielt Lesungen, die Theateraufführungen glichen, spielte jedoch auch gern Hauptrollen in grandiosen Laienaufführungen und übernahm dann möglichst gleich die Regie. Er reiste in der Welt umher, lebte monatelang in Frankreich oder Italien und segelte mehrmals nach Amerika.

Trotzdem brachte er nahezu jedes Jahr ein neues, dickes Buch hervor, so ähnlich,wie sie, Catherine, dauernd neue dicke Babys hervorbrachte. Der Unterschied: Seine Bücher waren der Stolz der Familie und der ganzen Nation. Der Kindersegen wurde zunehmend mit finsterer Miene zur Kenntnis genommen. Der große Schriftsteller war sich bewusst, dass nicht der Storch Schuld war, sondern vielmehr Catherine. Das nahm er ihr (obwohl er die Ungerechtigkeit einsah) übel.

Dickens veranstaltete Feste jeder Art mit vielen, vielen Gästen: Weihnachten war geradezu seine Spezialität. Er strotzte vor Disziplin, stand jeden Tag früh auf, nahm ein eiskaltes Bad (in seiner Zeit nicht unbedingt üblich), machte stundenlange, kilometerweite Märsche, die er Spaziergänge nannte und erwartete von seiner Familie dasselbe. Seine sieben Söhne mussten militärische Musterungen ihrer Zimmer über sich ergehen  lassen. Dickens wurde böse über Unordnung und Unsauberkeit. (Jungfrau-Aszendent.) Er war streng, aber gerecht. Er war Perfektionist. Vermutlich erschöpfte es bereits, ihn längere Zeit zu beobachten.

Die überwiegende Zahl seiner Jungs resignierten schon früh. Mit Vater konnten sie es sowieso nicht aufnehmen, deshalb wurden sie kleine Versager. Ein einziger, Nr. 8 in der Kinderreihe, Henry, (Steinbock) schaffte es. Er war ein  glänzender Schüler und der einzige von Dickens‘ Söhnen, der studierte. Er wurde Jurist und machte derart Karriere, dass sich die Queen gezwungen sah, ihn zu adeln.

Henry hatte die Energie, den Ehrgeiz, die Disziplin seines Vaters geerbt. Seine Brüder und Mary, die Mamie genannt wurde, glichen eher ihrer Mutter: sanft und freundlich, aber meistens müde. Vielleicht hatten einige der Kinder auch ihr Pechvogel-Gen. Catherine Dickens pflegte zu stolpern oder auszurutschen, sich den Knöchel zu verstauchen oder hinzufallen. Bei einem großen Festbankett löste sich ihr Armband und platschte in die Suppe. Sie wurde mit dem Haushalt schlecht fertig und bekam deshalb Unterstützung durch ihre jüngere Schwester. Charles Dickens schimpfte nicht direkt. Er seufzte nur und ließ erkennen, dass es erfreulicher wäre, wenn sie sich etwas zusammenreißen würde. Worauf seine Frau sich nicht zusammenriss, sondern aus dem Leim ging. Sie tröstete sich, nicht ganz unverständlich, mit vielen stärkenden Mahlzeiten über ihr ununterbrochenes Versagen an der Seite eines agilen Genies hinweg.

Doch es gab noch ein weiteres Kind im Haus, das nicht die mütterliche Passivität geerbt hatte, und das war Kate, die zweite Tochter. Im Gegensatz zu der freundlichen, ruhigen Mamie besaß sie viel vom feurigen Naturell ihres Vaters. Ihr Spitzname in Kindertagen lautete ‚Lucifer Box‘. So nannte man die Streichhölzer, die keine Schwefelfläche brauchten, um entzündet zu werden – sie konnten jederzeit aufzischen, egal, woran sie gerieben wurden. Kate Dickens war eine  kleine eigensinnige Wutbeule. Daran nahm ihr Vater wenig Anstoß, meistens amüsierte es ihn. Die Geschwister berichteten später übereinstimmend, Kate sei sein Lieblingskind gewesen.

Darüber hinaus war sie bildhübsch, und das wurde noch schlimmer, als sie heranwuchs. Zufällig entsprach ihr Gesicht exakt dem Schönheitsideal der Präraffaeliten: mit eher niedriger Stirn, griechischer Nase und betontem Kinn. Die Präraffaeliten, das war eine Gruppe junger, rebellischer Maler, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in England einen neuen Stil erarbeiteten (den ich persönlich übrigens sehr schätze).

Einer ihrer Gründer war John Everett Millais. Er schuf 1860 ein besonders berühmtes Gemälde, The Black Brunswicker. Das weibliche Modell: Kate Dickens.

Kate bewegte sich viel im Kreis dieser Künstler, denn sie malte selbst gern und war ausgesprochen talentiert. Außerdem hatte sie bereits die Idee, Malerin zu werden. Das war in einer Zeit, in der Töchter aus wohlhabenden Familien absolut nicht berufstätig wurden, eine gewagte Idee. Es bedeutete, dass sie sich nicht mehr innerhalb der gesellschaftlichen Norm bewegte. Und Charles Dickens legte größten Wert auf gesellschaftliche Anerkennung.

Da hatte er allerdings gerade selbst ein kleines Problem. Nach 22 Ehejahren verliebte er sich in eine Schauspielerin, Nelly, ungefähr ein halbes Jahr älter als seine Tochter Kate. An Nelly lag ihm ebensoviel wie an der Gesellschaft. Deshalb brachte er das sonderbare Kunststück fertig, sich von Catherine zu trennen, ohne sich scheiden zu lassen, die abgelegte Gattin in einem eigenen Haus zu etablieren, die junge Geliebte (ganz heimlich und versteckt) in einem anderen, selbst in einem dritten zu leben, betreut von einer Schwägerin – und von aller Welt zu erwarten, man möge sich nichts dabei denken. 

Als seine ältere Tochter sich verloben wollte, riet Dickens ihr energisch davon ab; er hielt nichts von dem Heiratskandidaten. Mamie befolgte schweren Herzens seinen Rat und blieb lebenslang unverheiratet. 

Als Kate von einem Maler aus dem Umfeld der Präraffaeliten, Charles Allston Collins, einen Heiratsantrag bekam, riet Dickens ihr ebenfalls energisch davon ab; Collins war elf Jahre älter und  schwer krank. Kate heiratete ihn natürlich trotzdem – sie setzte immer ihren Kopf durch.

Die Ehe dauerte 13 Jahre und wurde nie vollzogen, weil Collins dazu nicht in der Lage war. Indessen lebten er und Kate in einer freundschaftlichen Beziehung. Sie hatte während dieser Ehe eine lange, leidenschaftliche Romanze mit einem anderen präraffaelitischen Maler. Doch dann begegnete sie ihrer ganz großen Liebe, dem Maler Charles Edward Perugini, der aus Italien stammte.

Nachdem Kate Witwe geworden war, heiratete sie Perugini. Die beiden hatten einen Sohn, der schon als Baby starb. Was sie jedoch am meisten verband, war ihre gemeinsame Liebe zur Kunst. Kate Perugini wurde eine anerkannte, erfolgreiche Malerin, spezialisiert vor allem auf die Portraits kleiner Mädchen.

Ihre zweite Ehe dauerte 45 Jahre, bis zum Tod Peruginis, den sie um zehn Jahre überlebte. Die jüngere Tochter vom Charles Dickens starb im Mai 1929, im Alter von 89 Jahren.

Glücksfaktor: Zu wissen, was man will. 

 

 

 

 

 

 


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