Leipzig liegt in der Nähe von Altenburg


Und aus Altenburg kam mein Vater. Seine Familie besaß dort ein größeres Haus. Unten drin war die Drogerie (Mein Vater sagte immer stolz: „Mit fünf Schaufenstern noch vor dem zwanzigsten Jahrhundert!“) Oben im Haus gab es „Gesellschaftsräume“, darüber die Schlafzimmer. In einem davon ist mein Vater vor dem ersten Weltkrieg geboren worden. Später war dort sein Kinderzimmer. Das teilte er, als Einzelkind, mit seinem Cockerspaniel. Ganz oben übrigens, im Dachgeschoss, lagen die Dienstbotenzimmer. Es gibt auch noch einen gepflasterten Hof und ein Nebengebäude dahinter.

Früher stand der Name meines Großvaters, „EMIL SEIFERT“, über dem mittleren Schaufenster. Inzwischen sind die oberen Räume in einzelne Wohnungen unterteilt und vermietet.

Wir sind am frühen Abend in Altenburg angekommen, haben im alten Ratskeller sehr gut gegessen und sind noch über den wunderschönen Marktplatz geschlendert. Da sagt der Löwe:“Guck doch mal, da oben ist der Mond!“

Er war aber in Wirklichkeit viel, viel größer und rosa. Da sieht man, wie Fotos lügen!

Wir hätten in einem Hotel übernachten können, doch der Löwe ist in seinem Leben viel umhergewandert und wusste etwas viel Besseres. Ganz dicht neben Altenburg liegt ein Wasserschloss aus dem 10. Jahrhundert. Inzwischen ist das eine Jugendherberge. Da hatte er ein Zimmer reserviert.

So sieht Schloss Windischleuba bei Tageslicht aus. Wir sahen bloß nicht viel, obwohl ja der Mond schien (und sich im Schlossgraben spiegelte): im Schloss war niemand! Der Löwe rief den Verwalter der Jugendherberge an und der versprach, es würde uns gleich jemand aufmachen.

Nach kaum zehn Minuten fuhr ein riesiger Lautsprecher auf Rädern vor das Schlosstor. Also eigentlich ein Auto, voller Musik: Telemann, ganz passenderweise. Aus dem Auto sprang eine Maid mit wallenden blonden Locken, die uns auf Sächsisch begrüßte, das Tor aufschloss und uns „unsere Gemächer“ zeigte, eine steinerne Wendeltreppe hinauf – und dann wieder ein paar Steinstufen hinunter.

Weil wir nämlich wirklich die einzigen Gäste waren, bekamen wir die Fürstensuite! Ein Schlafzimmer mit ungeheuer vielen Schnörkeln, einen Vorraum mit Schrank, Tisch und Hockern, ein paar Stufen hinauf einen weiteren Schlafraum und ein kleines Bad, das sich im Turm befand.

In unserem Schlafzimmer stand sogar in einer Ecke ein kleines Bett, gerade richtig für Ernst …

Glücksfaktor: Fürstlich geschnörkelt schlafen zu dürfen.

Morgen erzähle ich weiter!


2 Antworten zu “Leipzig liegt in der Nähe von Altenburg”

  1. ein wunderbarer Bericht, bis 1989 war ich jedes Jahr in Leipzig, für 14 Tage bei einer internationalen Arbeitsbrigade. Wir wohnten im Studentenwohnheim Grünau und fuhren jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmittel (6.00) zur Arbeit. Hab da wunderbare Menschen kennen gelernt. Wir hatten 14 Tage Arbeitseinsatz und eine Woche Erholung, in dieser Woche habe ich dann auch Altenburg kennen gelernt. In laufe der Jahre habe ich die schönsten Städte besucht, die Mecklenburger Seenplatte, in Mirrow gewohnt, da gibt es eine Kapelle wo seit 500 Jahren Mönche liegen und kaum verwest sind. eisennach, Weimar und und…schwelge oft in Gedanken in diesen prächtigen, geschichtsträchtigen Städten.

    • Das hört sich schön an! Ich kenne Mitteldeutschland beinah nur aus den Erzählungen meines Vaters, der seine Heimat sehr geliebt hat. In Leipzig war ich bisher immer nur zur Buchmesse, vom Bahnhof hin und wieder zurück. Altenburg hatte ich schon einmal besucht, vor sieben oder acht Jahren und nur kurz. Es ist sehr schade, dass mein Vater nicht mehr lebt. Er hätte sich bestimmt amüsiert darüber, dass ich im Wasserschloss nebenan übernachtet hab …

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