wurde am 6. August 1682 in Versailles als ältester Sohn des französischen Thronfolgers geboren. Er war damit naturgemäß ein kleiner Hoffnungsträger.
Als Kleinkind berechtigte er allerdings erst mal zu den schlimmsten Befürchtungen, ein widerwärtiger Satansbraten, verwöhnt, arrogant, mit ziemlich teuren Wutausbrüchen, bei denen Kostbares krachend und klirrend entzweiging und einige Diener mit blauen Augen herumliefen.
Doch dann bekam Louis einen wunderbaren Erzieher, den adligen Geistlichen François Fénelon, ganz nebenbei ebenfalls am 6. August geboren, nur 31 Jahre früher, 1651. Fénelon war also 38 Jahre alt, als er Mentor des siebenjährigen königlichen Mistbesens wurde, und er tat gut. Zunächst gelang es ihm, mit Gelassenheit und Humor die Sympathie und Achtung des Prinzen zu erringen.
Und dann schrieb Fénelon einige ebenso unterhaltsame wie kluge Bücher für seinen Zögling, in denen er vermittelte, wie eine vernünftige Regierung funktionieren könnte. (Ganz aus Versehen griff er dabei unwillkürlich die Art und Weise des Großpapas, König von Frankreich, ein wenig an.) Zuerst waren es lustige Fabeln mit tiefsinnigem Hintergrund, dann jedoch vor allem Geschichten um Telemach, den Sohn des Odysseus, der auf der Welt umherreiste, um seinen Vater zu finden, und der dabei eine Reihe fiktiver Königreiche mit unterschiedlichen Regierungsformen kennenlernte.
Der junge Louis war vielleicht schwierig, aber keineswegs dusselig. Was er da las, gefiel ihm – und Fénelon imponierte ihm. Er beschloss, ein guter König zu werden, und er wurde zunächst ein auffallend angenehmer Mensch, aufmerksam, freundlich, von schneller Auffassungsgabe und auch noch sehr attraktiv. Bevor er richtig erwachsen war, bevorzugte der König den Enkel deutlich vor dessen Vater, dem eigentlichen Thronfolger: Louis, dem Dauphin.
Der Dauphin war ein lieber dicker Versager. Er tat keiner Fliege etwas zuleide und widersprach seinem Vater mit keiner Silbe – vielleicht, weil ihm keine einfiel. Der Dauphin ging ganz gern auf die Jagd, vor allem futterte er mit Vergnügen zu jeder Tageszeit. Politik interessierte ihn so wenig, dass sein Vater, der König, ihn erst im Alter von 30 Jahren an den Sitzungen des königlichen Staatsrats teilnehmen ließ. Den Rest seines Lebens saß er dort herum, spielte mit den Fransen seiner Schärpe und ergriff innerhalb von zwanzig Jahren genau zweimal das Wort. (Im Gegensatz dazu durfte sein Sohn bereits ab seinem 20. Lebensjahr im Staatsrat sitzen und hielt hier manche scharfsinnige Rede.)
Der Dauphin war mit einer Kusine aus Bayern verheiratet worden, Maria Anna Victoria, die als hässlichste Prinzessin Europas galt – und falls ihr das selbst zu Ohren kam, kann man verstehen, dass sie sehr melancholisch gewesen sein soll.
Maria Anna Victoria starb, bevor sie 30 war. Immerhin hatte sie den nächsten Thronfolger geliefert, nämlich unseren Louis. Der wurde seinerseits ziemlich zeitig verheiratet, im Alter von 15 Jahren, mit der zwölfjährigen Maria Adelaide von Savoyen.
Auf dem Hochzeitsbild sieht man im Mittelpunkt. im Profil, König Ludwig XIV., den stolzen Opa. Hinter ihm seinen Sohn, den Dauphin, Vater des sehr jungen Bräutigams Louis, der die Hand seiner kleinen Braut hält und verschmitzt ins Publikum schaut. Hinter der segnenden Hand des Geistlichen steht der Erzieher des Prinzen, François Fénelon.
Maria Adelaide muss eine entzückende kleine Person gewesen sein, sprühend vor Temperament und Witz. Sie wurde zum Liebling des Königs von Frankreich, gewissermaßen ihres Groß-schwiegervaters. Sie durfte sogar häufig an politischen Beratungen teilnehmen, weil er ihren scharfen Verstand schätzte.
Der König hielt ja schon sehr viel von seinem Enkel, er übersprang mit seiner Zuneigung gewissermaßen eine Generation. Volk und Hofstaat teilten diese Begeisterung für die beiden.
Das beliebte, strahlende Paar rückte im April 1711 offiziell in den Rang der Thronfolger, als der dicke Dauphin den Windpocken zum Opfer fiel. Doch nur zehn Monaten später brach eine Masernepedemie aus. Louis war 29 Jahre alt, seine Frau 26, ihre Söhne fünf und zwei. Sie steckten sich alle an und wurden schwer krank. Maria Adelaide, Louis und ihr älterer Sohn starben kurz nacheinander. Inzwischen denkt man, dass sie vor allem den völlig übertriebenen Aderlässen erlagen, die aufgeregte Ärzte durchführten, um die wertvolle Familie zu retten. Der jüngste Prinz überstand die Masern, weil seine Erzieherin sich geradezu handgreiflicggegen die Ärzte wehrte und ihren Zögling der Behandlung entzog.
So überlebte König Ludwig XIV. seine gesamten Erben bis auf den zweijährigen Urenkel, der später Ludwig XV. wurde. Der wunderbare Louis, von dem sich alle so viel erhofft hatten, geriet bald in Vergessenheit. Er kommt in Schulbüchern nicht mehr vor.
Glücksfaktor: Dass manche medizinischen Methoden jedenfalls aus der Mode gekommen sind …