Maria Goretti


ist die Heilige des 6. Juli. An diesem Tag im Jahr 1902 starb sie an den tiefen Stichenwunden, die sie tags zuvor erlitten hatte.

Maria lebte samt ihrer kürzlich verwitweten Mutter und mehrerer kleiner Geschwister gemeinsam mit einer anderen Familie in einem Haus in der Nähe Roms. Die anderen Hausbewohner waren der Pächter, ein Senor Serenelli, und sein sechzehnjähriger Sohn Alessandro. Serenelli übrigens war kein Witwer. Vielmehr befand sich seine Frau in einer Irrenanstalt, unter anderem, weil sie versucht hatte, den neugeborenen Alessandro zu ersäufen. Hätte sie’s getan, wäre aus Maria keine Heilige geworden.

Maria zeigte sich immer als gute Tochter, die ihre Mutter entlastete, wo sie konnte. Zu ihrem Unglück besaß sie ein auffallend hübsches Gesicht und für ihre noch nicht ganz zwölf Jahre eine schon recht weibliche Figur.

Das Gemälde von ihr ist wie ein Fahndungsfoto der Polizei entstanden, indem ihre Mutter einem Maler genau schilderte, wie ihr Kind ausgesehen hatte.

Alessandro jedenfalls gefiel das Mädchen. Er fing mit Komplimenten an, ging zu zweideutigen Witzen über und erklärte schließlich, was er gern wollte.

Hätte Maria nun gesagt: „Du bist wohl bescheuert, ich bin erst elf, und außerdem gefällt mir deine Nase nicht“ – dann wäre sie vielleicht ebenfalls ermordet worden. Aber auf keinen Fall heilig.

Als der aufdringliche Junge sie fragte, wieso denn nicht – da antwortete sie stattdessen: „Weil es Sünde ist. Weil es Unzucht wäre. Wir würden, wenn wir es täten, in die Hölle kommen.“ Vielleicht war das die ehrliche Meinung einer katholischen kleinen Mädchens um die vorletzte Jahrhundertwende in einem italienischen Dorf. Auf jeden Fall war es diplomatisch, Alessandro musste sich nicht persönlich verletzt fühlen. Und es war exakt der richtige Text für eine zukünftige Heilige.

Doch auch die Aussicht auf die Hölle vermochte den jungen Serenelli nicht zu zügeln. Er machte Anstalten, Maria zu vergewaltigen. Als sie sich immer noch wehrte, stach er mit einer spitzen Ahle auf sie ein, 14 tiefe Wunden. Er verletzte ihren Herzbeutel, das Herz selber, beide Lungenflügel, Dickdarm und Dünndarm. Die Blutung war sehr stark und die Zerstörung der inneren Organe medizinisch nicht mehr zu reparieren. Maria starb 24 Stunden später in einem Krankenhaus in der Nähe.

Das ist schrecklich und traurig. Aber weshalb machte es die kleine Maria zu einer Heiligen? Im vorgegebenen Gebet wird es deutlich:

Heilige Maria Goretti, wie groß war deine Liebe zu Gott und zur heiligen Reinheit, dass du als Zwölfjährige sogar Blut und Leben hingabst, um die Lilie der Jungfräulichkeit zu verteidigen. Du wolltest lieber in den Tod gehen, als schwer sündigen.

Schwer sündigen? Das bedeutet, wenn ein noch nicht zwölfjähriges Mädchen sich hätte vergewaltigen lassen, hätte sie schwer gesündigt. Da sie es vorzog, sich ermorden zu lassen, rettete sie offenbar die Reinheit, die, wie’s aussieht, mehr wert ist als alles andere. Zumindest für jemand, der einen Heiligenschein anstrebt.

Maria vergab Alessandro seine Tat auf dem Totenbett (was ich eher heilig finde als sich gegen eine Vergewaltigung zu wehren). Er wurde zu 30 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. In dieser Zeit erschien sie ihm und reichte ihm 14 weiße Lilien, schätzungsweise für jeden Stich eine, was ihn so beeindruckte, dass er fürderhin ein Besserer wurde. Und deshalb wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Nach dem Knast trat er folgerichtig bei den Kapuzinern ein, als Klostergärtner. Maria wurde 1947 selig und 1950 heilig gesprochen.

Glücksfaktor: Reinheit??

 

 

 


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