Maria war Jungfrau


Am 28. August 1639 wurde die erste Liebe des Sonnenkönigs geboren. Das war die entzückende Maria Mancini. Wie man am Namen erkennt, italienischer Abstammung. Wie man am Geburtsdatum erkennt, Jungfrau.

Maria wird, wenn man ein wenig in der Historie herumschnüffelt, als ‚Mätresse‘ des Königs bezeichnet. Das würde bedeuten, sie habe dem König gestattet, unsittliche Sachen mit ihr zu machen, und das gilt ja wohl eigentlich als selbstverständlich. Vor allem, wenn man bedenkt, was für ein Kerl er war, dieser Louis XIV! Der hat’s ja geradezu erfunden …

Allerdings wäre zu bemerken: Nicht nur Maria Mancini wurde im Sternzeichen der Jungfrau geboren, sondern auch der König selbst! (* 5 September.) Was bedeutet, bei all der ungezügelten Sinnlichkeit muss hier einiges an Zucht und Ordnung geherrscht haben, sozusagen von innen her.

Die Mama des Königs, Anna von Österreich, * 22. September, verfügte ebenfalls über diese Jungfrau-Eigenschaften. 

Dass Louis überhaupt entstanden war, verdankte er dem – neuerdings wieder enorm aktuellen – Prinzip, im Winter äußerst sparsam zu heizen. Sein Papa, Louis XIII., machte sich nämlich nach 22 kinderlosen Ehejahren überhaupt nichts mehr aus seiner Gattin, und das war entschieden gegenseitig. Anna war kurz davor, nach einer Scheidung vom König ins Kloster abgeschoben zu  werden. Bis das Schicksal die beiden energisch miteinander ins Bett schubste.

Im Winter 1637 nämlich begegnete sich das Königspaar zufällig und ungern im Louvre, damals natürlich noch kein Museum, sondern königlicher Palast. Anna verbrachte hier gerade einige Wochen, ihr Gatte stiefelte unvermutet nachts herein, nass, frierend und wütend. Er wollte eigentlich in sein Jagdschloss, doch ein Schneesturm zwang ihn, Unterschlupf zu suchen. Nun erfuhr er, es gab in dem Riesengebäude gerade ein gut beheiztes Schlafzimmer: das seiner Frau, ausgestattet mit einem großen Himmelbett. Und weil der König offenbar nicht auf dem Fußboden liegen wollte, brachte Anna neun Monate später den Thronfolger zur Welt und wurde nicht ins Kloster  abgeschoben. Vielmehr bekam sie zwei Jahre später einen zweiten Prinzen, wieder in der Jungfrau, am 21. September. 

Da Louis der XIII. ziemlich früh zu seinen Ahnen ging, musste Anna für ihr vierjähriges Söhnchen, plötzlich König, zunächst mal regieren. Unterstützt wurde sie dabei von einem eleganten Geistlichen, Kardinal Jules Mazarin, geboren als Giulio Mazzarino in Neapel.

Wie der Zufall es wollte, besaß der Kardinal sieben niedliche kleine Nichten, die er, noch bevor sie zu Jungfrauen erblühten, an den französischen Hof holte. Beziehungen, Netzwerk und so. Das amüsierte Volk taufte sie die ‚Mazarinetten‘ und verspottete sie später gern wegen ihrer (halt sehr großen)  ‚Eulenaugen‘.

Hier haben wir drei von ihnen. Maria ist die ganz rechts, ihre ebenfalls interessanten Schwestern sind Olympia und, in der Mitte, Ortensia.

Die Mazarinetten wuchsen am Hof, gewissermaßen als Ziehschwestern des kleinen Königs, auf. Mazarin war finster entschlossen, sie allesamt günstig mit Aristokraten zu verheiraten – und das schaffte er auch. Glücklich allerdings wurden die wenigsten damit. Olympia beispielsweise soll ihren adligen Gemahl – nach immerhin acht gemeinsamen Kindern – vergiftet haben und musste deshalb ins Exil fliehen, bevor  das geklärt werden konnte.

Louis XIV. mochte von Anfang an von sämtlichen Mazzarinetten Maria am liebsten. Sie war ein Jahr jünger als er, vielleicht die hübscheste, die anmutigste, die liebenswerteste der Kardinals-Nichten. Sie bekam großen Einfluss auf ihn und seine Entwicklung, sie war eine geistreiche Gesprächspartnerin, sie brachte ihm Literatur und Kultur sehr differenzierter Art nahe. Louis beschloss, Maria zur Königin von Frankreich zu machen und  teilte diese Idee ganz begeistert seiner Mutter und dem Kardinal mit. Leider waren sowohl Anna als auch Mazarin (Onkel hin, Onkel her – derart günstig wollte er seine Nichte nun auch wieder nicht verheiraten) davon wenig angetan. Louis soll sich, tatsächlich, auf die Knie geschmissen haben, um seiner Bitte Nachdruck zu verleihen. Doch die Heiratspläne seiner Berater sahen nun mal völlig anders aus.

So schnell wie möglich wurde er mit Prinzessin Maria Teresa von Spanien verheiratet, genau fünf Tage jünger als er und damit ebenfalls in der Jungfrau geboren. Ansonsten nicht ganz so reizvoll wie die italienische Maria. Diese Verbindung verkleisterte jedenfalls politisch wünschenswert den Frieden zwischen Frankreich und Spanien, und darauf kam es an. 

Die neue Königin von Frankreich, kurz und pummelig, blond, naiv und nicht selten ziemlich begriffsstutzig, verliebte sich außerordentlich in ihren Gemahl, doch das war nicht gegenseitig, obwohl er sich bis zu ihrem Tod freundlich ihr gegenüber verhielt. Um den Schein zu wahren, verbrachte er nicht selten eine Viertelstunde im Ehebett, bevor er zu seinen kultivierten, raffinierten Mätressen ging. Hof-Klatschtante Lieselotte von der Pfalz schrieb darüber, dass die Königin am Tag nach diesen Kurzbesuchen immer strahlende Laune zeigte und sich dauernd kichernd die Hände rieb. Jedenfalls entstanden aus den königlichen Viertelstunden sechs Kinder, von denen nur ein einziges älter als fünf Jahre wurde. Immerhin: Das war der Dauphin Louis, so dick und dösig wie seine Mutter.

Und Maria Mancini? Die wurde vom Onkel Kardinal ebenfalls schleunigst verheiratet, als der junge Louis so gar nicht von ihr lassen wollte, und zwar mit dem Fürsten von Colonna, einem italienischen Adligen. Der verkündete nach der Hochzeitsnacht verblüfft, seine Frau sei ja noch unberührt gewesen, und so was habe er vom König nun wirklich nicht erwartet. (Astrologisch betrachtet ist es gar nicht so seltsam, wenn zwei Jungfrauen aufeinander treffen und eine dabei Jungfrau bleibt .)

Nachdem die Ehe der Collonas zunächst recht angenehm verlief – der Fürst war schrecklich verliebt in seine Frau – machte die plötzlich einen Punkt. Nach zwei angenehmen, leichten Geburten verlief die ihres dritten Sohnes überaus langwierig und schmerzlich. Maria weigerte sich, etwas Derartiges nochmal mitzumachen. Und da es, außer rechtzeitigen Abtreibungen, noch keine vernünftigen Verhütungsmethoden gab, sollte Fürst Collona in Zukunft stattdessen einen Apfel essen oder kalt duschen.

Der liebende Gatte ließ sich darauf ein, konnte jedoch, gesund und noch keine 30 Jahre alt, bald nicht umhin, sich diskret hier und da eine Geliebte zu nehmen. Nicht diskret genug. Maria kam dahinter und veranstaltete großes Theater. Sie war so wütend, dass sie plötzlich vor einer neuen Schwangerschaft offenbar keine Angst mehr hatte und sich ihrerseits aus Rache Liebhaber nahm. Damit war wieder der Fürst, immer noch ganz wild auf seine Frau, nicht einverstanden. Ihre Auseinandersetzungen wurden lauter und kosteten teure Gegenstände, die an Wänden zerschellten.

In dieser angespannten Situation tauchte Marias kleine Schwester Ortensia bei ihr auf, eine der weiteren eulenäugigen Mazarinetten, von Onkel Kardinal aristokratisch verheiratet mit  einem  französischen Herzog.

Ortensia war eben ihrem Mann ausgekniffen. Wenigstens hatte sie ihn nicht vergiftet, wie beispielsweise Olympia den ihren. (Die Mancini-Schwestern besaßen unzweifelhaft etwas Wildes.) Ortensia, bekannt dafür, hervorragend mit Degen und Pistolen umgehen zu können, war tagelang in Männerkleidern zu Maria geritten.

Man muss zugeben, dass sie einige gute Gründe hatte, dem heimischen Schloss zu entfliehen. Ihr Gemahl, der französische Herzog, wurde immer merkwürdiger.

Abgesehen von geradezu krankhaftem Misstrauen, das ihn dazu brachte, nachts mit einem Dolch durch die Schränke seiner Frau zu kriechen und auf der Suche nach Liebhabern ihre Kleider zu zerschlitzen, zeigte er sich zunehmend streng erotikfeindlich. Er pflegte einen mittelgroßen Hammer bei sich zu tragen, mit dem er bei Bedarf und Anblick Statuen kastrierte, er zerfetzte oder übermalte Gemälde, die halbbekleidete oder sogar ganz entblößte Figuren zeigten. Weil er die Euter von Kühen für sexuell stimulierend hielt, hinderte er die Milchmädchen an seinem Hof an ihrer Arbeit – es durfte nicht mehr gemolken werden, was auch immer die Kühe davon hielten. Darüber hinaus schlug er mit erwähntem Hammer sämtlichen weiblichen Bediensteten die Vorderzähne aus, damit ihre Gesichter in den männlichen Bediensteten keine schmutzigen Gedanken erzeugten.

Ortensia machte sich also vom Acker, so lange sie ihre eigenen Vorderzähne noch trug. Nachdem sie von Maria erfuhr, dass die mit ihrer Ehe eigentlich auch durch war, ritten beide davon, gleichermaßen in Männerkleidern und im Herrensitz. (Wieso hat das eigentlich noch niemand verfilmt?)

Ortensia schiffte sich nach England ein und wurde ziemlich sofort die Mätresse von Charles II., der ihr ein reizendes Schlösschen in einem großen Park schenkte, plus einer üppigen Leibrente für die täglichen kleinen Ausgaben.

Maria versuchte inzwischen in Frankreich, ihrer Jugendliebe, dem Sonnenkönig, zu begegnen. Sie war nun Mitte 30, aber immer noch sehr attraktiv und überzeugt davon, ihn sofort wieder bezaubern zu können. Vielleicht fürchtete der König das ebenfalls; denn er ließ ihr zwar großzügig Geld zukommen, weigerte sich jedoch, sie wiederzusehen. Er hatte wohl alle Hände voll zu tun mit seiner aktuellen anspruchsvollen und eifersüchtigen Mätresse, Madame de Montespan.

Weil Maria den Zorn ihres Gatten fürchtete (sie äußerte, er würde sie gewiss vergiften: ‚Ich kenne die Italiener!‘) kam sie erst nach seinem Tod zurück an ihren italienischen Hof. Da war sie 50 Jahre alt.

Sie starb, 76jährig, vier Monate vor Louis XIV.

Glücksfaktor (nicht immer unbedingt): einflußreiche Onkel …

Nachsatz:

Wer liest schon noch Bücher?

Ob es noch einen Menschen gibt, der den Zauberberg  von Thomas Mann gelesen hat? Sein Held Hans Castorp raucht oft und gern eine Zigarre, die nach der schönen Italienerin benannt ist.

Andererseits – wer raucht schon noch Zigarren?

 

Maria Mancini – der Vergessenheit entzogen

Der Maria Mancini Zigarre stand in den 1940er Jahren ein jähes Ende bevor. Die Produktion wurde eingestellt und verschwand völlig vom Weltmarkt. Es sollte mehr als 40 Jahre dauern, bis die Marke wieder hervorgeholt und die Produktion wieder aufgenommen wurde. Der deutsche Hersteller August Schuster, welcher in Bünde seinen Standort hat, nahm sich der Maria Mancini Zigarre an und verhalf der einst glorreichen Marke zu neuem Glanz. Die heute erhältlichen fünf Formate entsprechen denen der damaligen Auflage und so sind sie in Qualität und Erscheinung dem großen Vorbild nachgebildet. Eine Besonderheit ist die No. 1, denn dabei handelt es sich um die Zigarre, der Thomas Mann verfallen war. Diese ist eine Maria Mancini Zigarre im Format Torpedo, welche als Doppel-Figurado an beiden Enden spitz zuläuft.

Angebaut wird der Tabak der Maria Mancini Zigarren in Honduras. Das Aroma ist eher cremig und durch Kakao gekennzeichnet. Sie gehört zu den aromatisierten Longfillern und ist mittelscharf in der Würze. Die Banderole zeugt heute noch das Portrait der historischen Maria Mancini, welcher die Zigarre noch immer gewidmet ist. Ein Thomas Mann hätte sich über die Renaissance seiner geliebten Zigarre sicher gefreut, schrieb er doch einst: „Hat man eine gute Zigarre, dann ist man eigentlich geborgen, es kann einem buchstäblich nichts geschehen“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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