Mord in der Kathedrale


Am 29. Dezember des Jahres 1170 schlugen vier Ritter mit ihren Schwertern auf den Erzbischof von Canterbury, Thomas Becket, ein. Sie trennten die Kuppe seines mönchisch rasierten Schädels ab, wie man ein Ei köpft. Der Geistliche starb am Altar der Kathedrale, 52 Jahre alt.

Die Ritter handelten keineswegs aus persönlicher Wut; vielmehr folgten sie einem Aufschrei ihres Königs Henry II., der so ungefähr gebrüllt hatte: „Gibt es denn unter meinen Gefolgsleuten keinen, der mich endlich von diesem verdammten Pfaffen befreit?!“

Weniger als zwanzig Jahre vorher waren der Bischof und der König noch dicke Freunde gewesen. Thomas Becket fungierte als Berater und Lordkanzler, ihre langen Gespräche, ihre gegenseitige Sympathie galten als ungewöhnlich. Es hieß, sie teilten ‚ein Herz und einen Verstand‘.

Was speziell die Kirche und deren Rechte anging, hegten sie allerdings unterschiedliche Ansichten. Das schadete nicht, bis Becket die Priesterweihe empfing und bald darauf zum Bischof wurde. Henry meinte zunächst, es sei von Vorteil, dass ausgerechnet sein bester Freund und Kanzler nun Erzbischof von Canterbury und Primas von England war. Er rechnete fest mit einem Verbündeten.

Doch Becket widersetzte sich. Er nahm die neue Aufgabe todernst und legte (gegen Henrys ausdrücklichen Willen) das Kanzleramt nieder. Es dauerte nicht lange, und aus den vorher besten Freunden wurden erbitterte Feinde. 1163, auf einem Hoftag in Westminster, blafften sie sich gegenseitig mit erhobener Stimme an. Es ging vor allem darum, ob die Macht des Throns oder die des Klerus das letzte Wort haben sollte.

Nach dem Mord am Altar hatten die Engländer ihren König eine Weile deutlich weniger lieb. Die Tat war abscheulich und der Erzbischof recht populär gewesen.

Henry tat Buße. Er ließ sich am Platz der Untat, in der Kathedrale zu Canterbury, von Mönchen den nackten Rücken mit Geisseln schlagen und kniete anschließend eine Nacht lang (wenn auch nur im Juni) betend auf dem Grab von Thomas Becket. Außerdem gründete er ein Chorherren-Stift und ließ eine große Abteikirche bauen. Danach fand man ihn schließlich wieder nett. Und außerdem wuchs irgendwann ja auch Gras über die Sache.

Für Thomas Becket jedoch ging nach dem unerfreulichen Sterben alles ausgesprochen positiv weiter. Er wurde schon drei Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen: Sein Festtag ist heute, der 29. Dezember …

Glücksfaktor: Gut aufpassen, was man in der Wut ausruft. Und wer zuhört.

 


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