Noch mehr Gedanken zum Kaugummi


anlässlich des National Chewing Gum-Day in Amerika am 30. September (dem Geburtstag von William Wrigley Jr.)

Als ich ein kleines Mädchen war, galt Kaugummikauen in Deutschland als flegelhaft, ungefähr auf einer Stufe der Kulturlosigkeit wie Comic-Lesen. Und obwohl die amerikanischen Besatzer, die das Zeug ins Land geschleppt hatten, auf jeden Fall für freundlicher und ungefährlicher gehalten wurden als die bösen Russen, bestand die Sympathie für sie doch aus einer recht dünnen Kruste.

Kinder wussten – von Lehrern oder anderen Erziehungsberechtigten informiert – dass diesen Leuten jeder Feinschliff fehlte. Ja, sie konnten schon lesen, aber vermutlich nicht viel mehr als die Sprechblasen der Comics. Es gab einen entsprechenden, typischen Witz: Ein GI vor einem Denkmal Friedrichs des Großen, der anerkennend meint: „Ah! Gößi! Die kleine Nachtmusik!“ 

Ein deutscher Kulturmensch verglich naserümpfend ‚diesen Jazz‘ mit der Musik von Richard Wagner. Wobei sich keiner bewusst machte, dass arrogante Vorurteile ein Indiz für Beschränktheit sind.

Mein Vater, immer unbekümmert gegen den Strich, liebte amerikanische Filme, Gershwin und Cowboys. Er schleppte Kaugummis ins Haus, die er mit mir teilte und las mir die Sprechblasen der Comics vor, bevor ich selbst lesen konnte. (Ich brachte ihm später die ersten Asterix-Bücher. Über die durfte man sich als intelligenter Mensch inzwischen amüsieren.)

Die Ansicht, dass Kaugummi nicht richtig gesellschaftsfähig ist, gab sich vermutlich mit der Mode zerfetzter Hosenbeine, rasierter Schädel und gepircter Nasenflügel. Wenn alles Mögliche wild sein darf, wenn es keinen Standart mehr gibt für das, was ‚fein‘ ist, dann darf auch jeder vor sich hin gnatschen.

Ich mag das Zeug immer noch gern. Ich hab Kaugummi im Auto-Handschuhkasten und in meiner Schreibtischschublade. Für meine Begriffe wirkt es sowohl entspannend als auch die Konzentration fördernd.

Glücksfaktor: Ein Hoch auf Mr. Wrigley! 

 

 

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert