anlässlich des Japan-Filmfestes in Hamburg. (Ein Online-Festival.)
Der letzte Film, den ich mir anschaute, trägt den komplizierten Titel: Thou’lt Look Back No More, Never, Never, Never, Never, Never. (Ein Zitat aus Shakespeares König Lear.)
Es geht um Emma, die eines Tages recht unvermutet von einem Regisseur kontaktet wird, der ihr die Hauptrolle in seinem neuen Spielfilm anbietet. Emma hatte sich sieben Jahre zuvor mal um eine Rolle bei ihm beworben, war abgelehnt worden und hat eigentlich die Idee, Schauspielerin zu werden, längst aufgegeben.
Sie lebt ein eher langweiliges und ziemlich frustriertes Leben in einer kleinen Wohnung an der Seite ihres Freundes Kei, der sie allerdings kaum zur Kenntnis nimmt. Er benötigt Emma offenbar vor allem, um ihn zum Flughafen zu bringen und wieder abzuholen, denn er ist beruflich viel unterwegs. Die beiden berühren sich kaum jemals, sie reden auch selten miteinander und wenn, dann über irgendwelche organisatorischen Fakten. Das ist umso merkwürdiger, als sie durchaus skypen, wenn Kei im Hotelzimmer sitzt. Dann bekommt er es fertig, dem Laptop gegenüber Sudokus zu lösen, statt Emma auch nur anzusehen.
Mit so etwas – oder mit Lesen – beschäftigt er sich auch zu Hause. Da ist eine Szene, in der Emma, auf dem Bett sitzend, kichernd versucht, ihn mit einem nackten Fuß zu schubsen und dazu zu bewegen, das verdammte Buch aus der Hand zu legen. Auch in diesem Fall reagiert Kei nicht eigentlich – er wird nicht einmal wütend. Er wehrt den Fuß nebenbei ab, wie man eine Fliege verscheucht. Es scheint, als ob seine hübsche Freundin für ihn nicht weiter existiert. Ein schwerer Fall von krankhafter Introvertiertheit? Zärtlichkeit oder Schlimmeres scheint es zwischen ihnen nicht zu geben. Es sei denn, sie erledigen das, wenn wir nicht hingucken.
Dabei grüßt Kei Emma am Telefon von seiner Schwester und er nimmt sie auch mit zu einem Essen im Restaurant mit seiner Familie. (Nach Ansicht aller Frauenzeitschriften ein Indiz, dass er ernste Absichten hegt.) Bei diesem Restaurantbesuch spricht die Familie miteinander – und zwar leere Textwolken ohne jede Aussage. Ebenfalls, ohne Emma besonders zur Kenntnis zu nehmen. Sie sitzt mit höflichem Lächeln daneben. Sie könnte ebenso gut woanders sein.
Bei den Dreharbeiten versucht sie, mit dem Regisseur über ihre Auffassung einer Szene zu sprechen. Der hat jedoch gute Gründe, ärgerlich zu reagieren: Er möchte unbedingt noch vor dem Sonnenuntergang einen bestimmten Hintergrund aufnehmen. Wieder wird sie weggeschickt.
In mehreren Szenen spricht ein Darsteller (meistens Emma) den einen Teil eines Dialogs – ohne, dass wir Antworten von Irgendjemand hören. Manchmal sprechen auch zwei Menschen miteinander, wir sehen jedoch durchgehend nur den einen von beiden. Sogar der Regisseur gibt ein Interview – das ihn zum Schluss hin ziemlich aufregt, so dass er es abbricht – ohne, dass wir die Fragen hören oder einen Interviewer sehen. Übt er?
Es wirkt so, als ob die Menschen hier nicht miteinander agieren, sondern häufig jeder für sich alleine. Ein schwerer Fall von krankhafter kollektiver Introvertiertheit?
Das ist einer von diesen Filmen, die man mehrfach anschauen muss, um sie entschlüsseln zu können. Takushi Ueta macht es dem Zuschauer leicht, weil er seinen Film so perfekt konzipiert hat. Von der ersten Einstellung an stimmt wirklich alles; nichts ist hier aus Versehen. Der Mann weiß genau, was er tut und wie das geht.
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