Pferde im Wildwestfilm


Ich kann ein wenig reiten; zuerst habe ich das vermutlich derzeit in Europa gebräuchlichste gelernt, das nennt sich klassisch englische Reitweise auf einem leichten, flachen Sattel, die Zügel werden von beiden Händen gehalten. Es ist, vereinfacht gesagt, vornehmer und eleganter.

In Kanada brachte mir ein interessanter Halbindianer Reiten im Western-Style bei; das findet auf einem deutlich schwereren Sattel statt, in dem der Reiter tiefer (und sicherer) sitzt. Hier kommt es mehr auf die Beinarbeit an, also die Unterstützung des Pferdes durch Schenkeldruck. Ein Westernreiter hält die Zügel nur in der linken Hand, weil er die rechte braucht, um den Colt zu ziehen oder sich zu kratzen oder ein Lasso zu schwingen.

Das bedingt nicht nur eine andere Haltung, sondern andere Zügel, eine andere Art Halfter und Trense – und ein auf andere Art geschultes Pferd.

Westernreiten hat mir mehr Spaß gemacht. Aber ich will nicht behaupten, dass ich besonders viel vom Reiten verstehe, so oder so. Eins indessen habe ich begriffen: Pferde sind ausgesprochen aufwendige Lebewesen. Vor und nach dem Reiten hat sich jemand mit ihnen zu beschäftigen. Falls man also keinen Stallburschen oder sonstiges Personal besitzt, der Reiter selbst.

Es tut Pferden durchaus nicht wohl, den ganzen Tag gesattelt zu verbringen. Sie wollen abgerieben  und gestriegelt werden (nicht nur sonntags, sondern täglich). Man muss ständig ihre Hufe  kontrollieren und säubern, denn in Hufeisen verfangen sich Steine oder Erdklumpen, die ein Pferd drücken wie uns ein Stein im Schuh. Sie müssen zu Trinken bekommen und natürlich gefüttert werden – gern auf der Weide, langsam und stundenlang. Ganz zu schweigen davon, dass Pferde häufig krank sind. Ich kannte einen Mann, der Trakehner züchtete und sich praktisch durch die Tierarztkosten ruiniert hat.

Dies alles trifft jedoch nicht auf Pferde in Wildwestfilmen zu. Ein Filmpferd ist kein Lebewesen, sondern eine Art Auto mit Beinen. Es wartet praktisch den gesamten Tag geduldig (und gesattelt) – zu diesem Zweck irgendwie festgetüdert an einem Balken, ohne Wasser und Futter – bis das Drehbuch verlangt, dass der Darsteller aus der Kneipe rennt und ihm auf den Rücken springt, worauf es sofort im dritten Gang losrennt. Der einzige Unterschied zu einem Porsche scheint darin zu bestehen, dass ein Wildwestfilm-Pferd keinen Parkschein benötigt.

Ein Filmpferd äpfelt nicht, wiehert nicht (außer, das steht im Drehbuch, weil es jemanden verraten soll) und trägt geduldig, was man ihm zumutet, gern auch außer dem schweren Sattel und dem Reiter noch einen zweiten Mann, weil’s dem das eigene Pferd unter dem Popo weggeschossen hat, unter Umständen gern kilometerweit im Galopp durch die Wüste. Dann sehen wir voll Mitgefühl, wie den Reitern vor Durst die Zunge über der Schulter hängt – das Pferd hat in der Regel noch genug Benzin, um weiterzutragen.

Wenn der Wildwestheld im Film endlich rastet und sich an sein Feuerchen setzt, dann wird dem Pferd weder der Sattel abgenommen noch wird es gefüttert. (Von Striegeln und Hufe untersuchen ganz zu schweigen.) Es steht vielmehr geparkt in der Gegend herum, denn wenn’s im Drehbuch steht, muss der Reiter, aus dem Schlaf geschreckt, womöglich plötzlich flüchten oder jemand verfolgen – jedenfalls im dritten Gang losgaloppieren. Da kann er nicht erst umständlich satteln!

Dies bereitet mir hin und wieder Schmerzen, wenn ich einen ansonsten guten und unterhaltsamen Wildwestfilm betrachte …

Glücksfaktor, trotzdem: Kino.

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