Phineas Gage, ein amerikanischer Bahnarbeiter,


schoß sich am 13. September 1848, in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr, bei einer Sprengung aus Versehen eine mehr als einen Meter lange und drei Zentimeter breite Eisenstange durch den Kopf.

Das Eisen drang unter dem Backenknochen ein, sauste oben durch die Schädeldecke und knallte etliche Meter weiter hinten in einen Felsen.

Gage verlor dadurch einen gesunden Weisheitszahn, einen gewissen Anteil seines Gehirns, enorm viel Blut, die Sehfähigkeit des linken Auges, seinen Job, seine Persönlichkeit und fast alle seine Freunde. Das Bewusstsein verlor er zunächst mal nicht, was allen Beobachtern geradezu unheimlich vorkam.

Er wartete sitzend auf den herbeigeholten Arzt, einen Dr. Harlow, nachdem er vorher eine Weile auf einem Bett gelegen hatte. Etwas schwach fühlte er sich allerdings – der Arzt beschrieb später, das Bett sei eine einzige blutige Angelegenheit gewesen. Als Dr. Harlow eintrat, äußerte Phineas tapfer, er hoffe, es würde nicht wehtun. Dann musste er sich übergeben, wobei durch die Anstrengung des Würgens „ungefähr eine halbe Tasse“ Hirnmasse oben aus dem Loch im Schädel drang und zu Boden fiel.

Die Wunden um das Auge und auf der Schädeldecke entzündeten sich und man wartete allgemein auf Gages Tod. Der Sarg stand im Hof, seine Sonntagskleider lagen bereit. Alle waren traurig, denn Phineas war so ein besonders netter Kerl gewesen, intelligent, freundlich, sehr diszipliniert. Er sah gut aus, mittelgroß, mittelblond, mit großen, klaren blauen Augen. Der Chef sagte, er sei sein bester Vorarbeiter gewesen.

Doch er starb nicht. Er erholte sich vielmehr auf erstaunlichste Weise. Er konnte weiterhin sprechen, schreiben und sich in jeder Weise bewegen. Trotzdem war er nicht in der Lage, seinen Job wieder auszuüben, denn es ermangelte ihm nun an all den Charaktereigenschaften, die ihn so beliebt gemacht hatten. Aus dem höflichen, umgänglichen, ruhigen jungen Mann war ein Flegel geworden, ein launenhafter, aggressiver, lügnerischer und geschwätziger Kerl. Seine Freunde meinten übereinstimmend, das sei nicht Phineas.

Später allerdings wurden ihm noch viel schlimmere Veränderungen angedichtet. So hieß es, er habe sich selbst in einem Wanderzirkus ausgestellt, durch hemmungsloses Spielen hohe Schulden gemacht und Frau und Kinder misshandelt. Was insofern etwas albern ist, als er weder Frau noch Kinder hatte. Und gerüchteweise wurde auch bekannt, dass mit seiner Sexualität, seit ihm etwas durchs Hirn geschossen war, ‚irgendwas nicht stimme‘.

Tatsächlich arbeitete er noch in verschiedenen Berufen, unter anderem bei einem Kutschenunternehmen. Doch einige Jahre nach dem Unfall begannen epileptische Anfälle seine Gesundheit immer mehr zu untergraben und ihn nach und nach berufsunfähig zu machen.

Dr. Harlow hat Phileas Gage in dessen letzten zwölf Lebensjahren immer wieder besucht und seine Beobachtungen notiert. Nach Ansicht des Arztes gab sich das unkontrollierte, unsympathische Verhalten seines Patienten nach einigen Jahren weitgehend. Er wurde schließlich wieder annährend derselbe, der er gewesen war. (Wenn auch seine Mutter meinte, er habe Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis.)

Phileas Gage wurde 36 Jahre alt. Er starb an einem epileptischen Anfall im Mai 1860. Alles in allem hat sein Fall der Gehirnforschung und der Neurologie sehr weitergeholfen.

Glücksfaktor: Gut aufpassen und vorsichtig sein, wenn man mit Sprengungen zu tun hat …


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