Wir waren trotzdem unterwegs. Eigentlich wollten wir auf die Buchmesse, die jedoch ausfiel. Das konnten wir, als wir es planten, nicht wissen. Also haben wir alle möglichen Termine drumrum gepflanzt, die nun also in Brandenburg, Leipzig und Erfurt stattfanden.
Ernst hatten wir ja vorsichtshalber nicht mitgenommen. Dann ist er trotzdem krank geworden. Garantien gibt es nicht.
Das war eine seltsame Reise durch ein ziemlich stilles Land. Wenig Menschen. Wenig Autos. Leere Raststätten – in einer bekamen wir mittags die besten Pommes Frites, die je an so einem Ort hergestellt wurden, knusprig und aromatisch, in völlig jungfräulichem Öl gebraten, denn wir waren die ersten Gäste!
Hotelzimmer zu erhalten, auch unangemeldet, war kein Problem. Erfurt erreichten wir am Abend, aßen in einem gemütlichen Restaurant in der wunderschönen Altstadt und gingen da noch ein bisschen spazieren …

Am nächsten Tag waren wir in Eisenach. Nun habe ich mich schmerzlich danach gesehnt, die Wartburg zu besichtigen, seit ich zum ersten Mal mit der Bahn unter ihr durchfuhr. Und dann jedes Mal wieder, jahrzehntelang! Hat nie geklappt. Darf man was besichtigen, obwohl Seuche herrscht?
Der Löwe meinte, man darf. Übrigens waren herzlich wenig andere Menschen da, die wir hätten anstecken können, falls wir (wer weiß das?) krank gewesen wären. Und genau so wenige, die uns hätten anstecken können, falls …

Jedoch eine sehr reizende Dame, die von den früheren Bewohnern des ehrwürdigen Gemäuers erzählte, auf sächsisch. Und die hielt Abstand.
So erfuhren wir eine Menge über Elisabeth von Thüringen, die bereits als kleines Mädchen dauernd Gutes tat und der ein ganzes Mosaikzimmer gewidmet ist, spendiert von Kaiser Wilhelm dem letzten.

Wir erblickten die Stube, in der Martin Luther, damals gerade bärtig, das Neue Testament übersetzt hat und ein volles Tintenfass nach dem Teufel schmiss, der ihn dauernd ablenkte. Ich kann das absolut verstehen. Ich werde auch knatschig, wenn man mich beim Schreiben stört. Die Tintenflecken an der Wand haben Besucher immer wieder abgekratzt und sie sind immer wieder nachgewachsen. Daran merkt man, dass es wirklich der Teufel war, der den Schaden verursacht hat.

Und dann hab ich mich etwas in Ludwig, den Springer, verguckt. Der Mann hat die Wartburg gebaut und war enorm sagenträchtig. Er soll beispielsweise einen Pfalzgrafen erstochen haben, um dessen Frau zu heiraten. Nicht direkt aus Liebe, mehr, um an das dazugehörige Land zu kommen. Ich fand Ludwig trotzdem furchtbar sympathisch, ich kann nichts dafür. Lange Haare machen mich immer völlig kirre.

Übrigens sind wir auf dem Rückweg an der Lahn entlang gefahren, die sich gerade sehr gehen ließ. Auf den ersten Blick hätte man denken können, man fährt an der See entlang. Manchmal guckten nur Baumkronen aus dem Wasser. Das genaue Gegenteil des vertrockneten Rheins, den wir vor zwei Jahren gesehen haben. Insofern war es befriedigend, zu wissen, dass die Lahn ihre Überschwemmung direkt in den Rhein kippt.

Die Heimfahrt dauerte anderthalb Stunden weniger als geplant, denn es gab überhaupt keinen Stau! Teilweise lag die Autobahn ganz glatt und leer vor uns. Das ist fast gruselig.
Meine Mailbox, Zuhause, enthielt viele Nachrichten über abgesagte Veranstaltungen jeder Art. Pressevorführungen von Filmen oder Theaterpremieren, die Lange Nacht der Museen! Dieses Jahr also nicht. Freunde berichten, sie seien noch gesund und hoffen, dass wir es auch sind und eine schöne Reise hatten, trotz allem.
Natürlich hatten wir das. Alles, was man mit dem Löwen macht, ist schön.
Glücksfaktor: Liebe in Zeiten der Corona