Schach ist ein Spiel für intelligente Leute


Vor langer, langer Zeit, tief im letzten Jahrtausend – genauer gesagt vor mehr als dreißig Jahren – da habe ich meinem kleinen Sohn dieses schöne Spiel beigebracht.

Wir beherbergten nämlich seit einigen Tagen ein besonders hübsches Schachspiel mit Figuren aus gold- und silberfarbenem Metall auf einem gold-silber-gewürfeltem Brett. Das Spiel besaß einigen Wert, und eine Freundin, die sich gerade scheiden ließ, hatte es bei uns in Sicherheit gebracht, weil sowohl sie als auch ihr noch-nicht-ganz-Ex es gern behalten wollten. Sie bat uns, vorsichtig damit umzugehen. Spielen dürften wir gern. Ich glaube mich zu erinnern, sie wollte behaupten, es sei irgendwie verloren gegangen.

Nachdem sie enteilt war, vielleicht, um weiteren kostbaren Besitz zu verstecken, betrachteten wir sehr beeindruckt die verschiedenen zierlichen Figuren. Arne fragte, wie man denn damit spielt. Er war ja noch keine sieben Jahre alt und ich wusste nicht, ob er die Regeln schon begreifen würde – aber ich erklärte es, so gut ich konnte. (Ich war nie ein guter Schachspieler gewesen und hatte nur eine entfernte Ahnung von einer Rochade und wieso – und dass ein Bauer unter bestimmten Umständen plötzlich zur Dame werden könnte, was mich bis heute wundert.)

Ich hatte nicht im Traum mit einer derartigen Begeisterung gerechnet. Es dauerte kein halbes Jahr und ich gewann kein einziges Spiel mehr, außer, Arne versuchte besonders taktvoll, mich mal gewinnen zu lassen, vermutlich, damit ich nicht frustriert aufgab und weiterhin als Mitspieler zur Verfügung stand.

Eigenartigerweise, obwohl mein Söhnchen tierisch viel Zeit damit verbracht hat, die Figuren hin und her zu schieben, fand ich jetzt beim Suchen kein einziges Foto, das ihn beim Schachspielen zeigt. Nur eins, auf dem immerhin dieses gold-silberne Spiel hinter ihm auf einer Kommode steht.

 

Als wir von Hamburg nach Schleswig-Holstein zogen, trat Arne in der nächsten Kreisstadt in einen Schachclub ein. Das befreite mich von dem niederschmetternden Gefühl, nett, aber grottenblöde zu sein. Mein Sohn schleppte zweifellos an einer ausgeprägten Begabung und kam immer mal mit der Nachricht nach Hause, er habe gegen einen Großmeister im Simultan gewonnen oder er sei ‚Blitzmeister‘ geworden. Weltmeister wurde er nicht, weil er etwas später die Schauspielschule in Hamburg besuchte und Freundinnen hatte und Schach für ein Weilchen nicht mehr das Wichtigste in seiner Welt darstellte.

Inzwischen ist es mir erfolgreich gelungen, mir einzureden, dass hervorragendes Schachspielen an sich nicht unbedingt ein Zeichen umfassender überlegener Intelligenz ist. Ich glaube jetzt, dass es sich hier um einen Seitenzweig des Gehirns handelt, der bei einigen Menschen eher verkümmert wächst und bei anderen das ganze Zimmer füllt. 

Nachdem Arne zur Enttäuschung seines Vaters nicht nach Hollywood zog, sondern auch das Schauspielen nicht mehr das Wichtigste in seiner Welt war, ist er wieder beim Schach gelandet, als Mitarbeiter von ChessBase, einem Hamburger Unternehmen, das Schachsoftware entwickelt  und eine Schachdatenbank sowie eine Schachnachrichtenseite betreibt. 

Und jetzt hab ich auch etwas für ChessBase geschrieben. Denn schreiben kann ich – wenn ich auch kein besonders begabter Schachspieler bin:

Der Widder und seine Strategie auf ChessBase

Glücksfaktor: Die Vielschichtigkeit des menschlichen Gehirns!

 


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