Sittin‘ On the Dock of the Bay – die Geschichte hinter dem Lied


Das Lied fiel Otis Redding ein, als er im August 1967 auf einem Hausboot vor Sausalito in der San Francisco Bay in der Morgensonne an Deck saß und das Geglitzer auf den Wellen und die vielen Boote beobachtete, die in die Bucht hereinkamen und sie wieder verließen.Otis war damals 25 Jahre alt und seine Zukunft sah eigentlich ziemlich gut aus. Zwar stammte auch er, wie die Figur aus seinem Song, aus dem weit entfernten Georgia, aber er war kein armer Kerl, der keinen Job findet, dessen Hoffnungen enttäuscht wurden, der sich fragt, wieso er eigentlich diese weite Reise gemacht hat, die doch nichts an seinem Schicksal änderte – im Gegenteil.  Für Afroamerikaner gab es damals ziemlich genau zwei Möglichkeiten, aus dem Elend aufzusteigen: Sport und Musik. Otis Redding war ein äußerst talentierter Komponist und ein wunderbarer Sänger, der gerade begann, ziemlich bekannt zu werden. Seit fünf Jahren verheiratet – als er seiner Frau begegnete, war sie achtzehn und er neunzehn – vierfacher Vater, immerhin bereits Besitzer eines Kleinflugzeugs. Er hatte eine recht erfolgreiche Europa-Tournee hinter sich, war beim berühmten Monterey Pop Festival aufgetreten. Alles, was jetzt noch fehlte, war ein ganz großer Hit.Der wunderbar traurige Song, in dem die Bewegung der Wellen enthalten ist, wurde einige Monate später, am 7. Dezember, in Memphis, Tennessee, aufgenommen. Otis hatte sich kurz vorher die Polypen entfernen lassen, und im Studio meinten alle, seine Stimme habe noch nie besser geklungen. Übrigens fehlten zum Schluss noch ein paar Zeilen – die würden ihm später einfallen. Jetzt wurde das Lied erstmal so aufgenommen und Otis pfiff, improvisierend, im letzten Teil zunächst mal ein bisschen. (Und da waren sich alle einig, dass er nicht besonders gut pfeifen konnte.)

Drei Tage später, am 10. Dezember 1967, flog der Sänger mit seiner Band in seiner Privatmaschine nach Wisconsin zu einem Konzert. Die leichte Beechcraft geriet in ein Unwetter und stürzte ab.

Otis Redding starb mit 26 Jahren.

‚Sittin’ on the Dock of the Bay‘ erreichte sofort Platz eins der amerikanischen Billboard-Charts. Das Lied hielt sich über Wochen in den Hitparaden der ganzen Welt. Redding wurde gleich nach seinem Tod einer der erfolgreichsten Soulsänger aller Zeiten. Man nennt ihn inzwischen King of SoulDie letzte Zeile im Song bekam keinen Text mehr. Es blieb bei diesem etwas unsicheren Pfeifen, das so besonders gut wiedergibt, dass der einsame Mann auf dem Dock vergeblich versucht, ein bisschen optimistisch zu sein …

Ich sitz in der Morgensonne
Ich werd hier noch sitzen, wenn der Abend kommt
Beobachte die Schiffe, die einlaufen
Und dann beobachte ich, wie sie wieder wegfahren

Ich sitz auf dem Dock der Bucht
Guck zu, wie die Flut fällt
Ich sitz auf dem Dock der Bucht
Verschwende die Zeit

Ich verließ mein Zuhause in Georgia
Machte mich auf den Weg zur Frisco Bay
Denn ich hab nichts, wofür es sich zu leben lohnt
Scheint, es würde nichts auf mich zukommen – also

Sitz ich einfach auf dem Dock der Bucht
Beobachte, wie die Flut fällt
sitz auf dem Dock der Bucht
Verschwende die Zeit

Sieht aus, als würde sich nichts ändern
Alles scheint gleich zu bleiben
Ich kann nicht tun, was zehn Leute mir sagen
Also schätze ich, ich bleib derselbe

Ich sitz hier und ruh meine Knochen aus
Und diese Einsamkeit wird mich nicht verlassen
Zweitausend Meilen hab ich zurückgelegt
Bloß um dieses Dock zu meinem Zuhause zu machen

Jetzt sitz ich einfach auf dem Dock der Bucht
Guck zu, wie die Flut fällt
Sitz auf dem Dock der Bucht, verschwende die Zeit …

Glücksfaktor: Dass es möglich ist, Stimmen für die Nachwelt zu speichern!


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