Tammy Wynette


erblickte am 5. Mai 1942 im Staat Mississippi das Licht der Welt. Damit waren ihr zwei Voraussetzungen in die Wiege gelegt. Zum einen wurde sie in einer Gegend geboren, in der Country-Sänger zu Hause waren. Zweitens begann sie im astrologischen Zeichen Stier zu brüllen. Stier regiert Hals, Nacken und die Kehle: Viele der besten und stimmgewaltigsten Sängerinnen sind Stier (etwa Barbra Streisand, Cher oder Adele).

Ansonsten quietschte die Wiege. Tammys Vater, ein Farmer und Freizeitsänger, starb an einem Gehirntumor, als seine Tochter gerade neun Monate alt war. Ihre Mutter gab das Baby daraufhin in die Obhut der Großeltern, um sich fortan allein durchzuschlagen. Tammy wuchs in äußerst idyllischen Verhältnissen auf, mit Klo-im-Hof und ohne fließendes Wasser. Wenn sie fertig mit den Schulaufgaben und der Hilfe im Haus und auf dem Feld war, brachte sie sich selbst bei, auf den Musikinstrumenten zu spielen, die ihr Vater ihr hinterlassen hatte. Und sie sang mit einer dieser wunderbaren, leicht heiseren und grundehrlichen Countrystimmen.

Tammy heiratete mit kaum siebzehn Jahren einen Bauarbeiter und arbeitete, um die Familie finanziell zu unterstützen, als Kellnerin und in einer Schuhfabrik. Als sie dreiundzwanzig war, erwartete sie ihre dritte Tochter. Noch während dieser Schwangerschaft wurde sie von ihrem Gatten verlassen. Das war insofern besonders bitter, als die kleine Tina an einer langwierigen Gehirnhautentzündung litt. Tammy musste sehen, wie sie allein zurecht kam mit zwei gesunden sowie einem totkranken kleinen Mädchen und ihren verschiedenen Jobs. Immer noch sang und spielte sie, sofern sie einen kostbaren Moment der Freizeit ergattern konnte. Schließlich hätte es ja sein können, dass sie eines Tages mal auf einer Bühne stand?  Ihr Mann hatte diese Ambitionen extrem albern gefunden und immer wieder spöttisch geäußert: „Dream on, Baby!“ – Träum weiter, Schätzchen.

Nachdem Tammy eine der berühmtsten Countrysängerinnen Amerikas geworden war, stand ihr Ex schließlich  vor ihr zwischen den Fans, bei einem Konzert, und bat um ein Autogramm! Sie schrieb: „Dream on, Baby!“

1966 war sie mit ihren drei kleinen Mädchen nach Nashville gezogen, ins Herz des Country. Tatsächlich begann hier ihre Karriere. Einen ganz großen Hit, den größten ihrer Karriere, landete sie zwei Jahre später mit dem Song ‚Stand by Your Man‘, einer devoten Ode an die bedingungslose Weiberliebe zu einem Kerl, egal, was immer er anstellen mochte. Nicht zuletzt durch diese Provokation, die Feministinnen im Dreieck springen ließ, wurde das Lied ein Welterfolg und Tammy ein ganz großer Country-Star – in einer Reihe mit Patsy Cline, Dolly Parton und Loretta Lynn.

Countrysongs bestehen zu 90 % aus Liebeskummer. Dass Tammy Wynette privat glücklich wurde, ist zu bezweifeln. Sie war insgesamt fünfmal verheiratet, aber ein richtiger Treffer scheint, nach fünf Scheidungen, nicht dabeigewesen zu sein. Zwischenzeitlich war sie tablettenabhängig und überdurchschnittlich oft krank, wurde 26 mal operiert – unter anderem an den Gallengängen, der Gallenblase, den Nieren, dem Darm und den Stimmbändern – und starb mit 55 Jahren, schlafend, auf ihrem Sofa daheim. Die Erklärungen der Ärzte schwankten zwischen Lungenthrombose und Herzproblemen.

Glücksfaktor: eine Technik, die Stimmen erhält, auch, wenn es ihre Besitzer nicht mehr gibt.


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