Und wer war Sacheen Littlefeather?


Da gibt es unterschiedliche Ansichten.

Sie selbst behauptete, sie sei eine ‚Native Person‘, also ein Mitglied der Amerikanischen Ureinwohner. 

Das wurde bereits direkt nach ihrem Auftritt bei der Oscar-Verleihung im März 1973 vom Filmkritiker Roger Ebert bestritten, der irgendwoher wusste, dass Sacheen Littlefeather in Wirklichkeit eine Mexikanerin namens Marie Cruz war und kein bisschen indianisch.

Marie Cruz oder Sacheen Littlefeather wurde dadurch ziemlich bekannt, dass Marlon Brando sie zur Oscar-Live-Übertragung schickte, um seinen Preis als bester Darsteller im Film Der Pate abzulehnen. Sie trat dazu täuschend indianisch in einem Hirschlederkleid auf und mit perlenbestickten Scheiben über den Ohren. Eigentlich sollte sie einen längeren Text vorlesen, den Brando ihr mitgegeben hatte und in dem erklärt wurde, er könnte leider den Oscar von einer Industrie, die seit Jahrzehnten in Hunderten von Filmen die Indianer schlecht mache, nicht annehmen.

Foto: UCLA Library Special Collections

Nachdem einer der Veranstalter Sacheen kurz und energisch (sinngemäß) erklärte, sie könne genau eine Minute lang sprechen und flöge anschließend im hohen Bogen von der Bühne, sah sie sich gezwungen, diesen Text in einige eigene kurze Worte zusammenzufassen. (Sie bekam immerhin hinterher Gelegenheit, ihn im Ganzen der Presse vorzulesen.)

Ein Teil des Publikums applaudierte, ein Teil brach in laute Bu-Rufe aus. Von John Wayne, einem der Verteidiger der weißen Rasse im Westen, wird erzählt, sechs starke Sicherheitsbeamte mussten den wehrhaften alten Herrn festhalten, um ihn daran zu hindern, Sacheen zu entfedern.

Immerhin flockte der Vorfall die ansonsten eher langweilige Veranstaltung so ähnlich auf wie die Ohrfeigenaktion von Will Smith.

Was kam dabei heraus?

o Möglicherweise hat es wirklich ein wenig damit zu tun, dass Indianer – doch, sie möchten selbst so genannt werden – in Filmen jüngeren Datums nicht mehr nur räudige, heulende Verlierer sind.

o Sacheen meinte, die Aktion habe ihrer Karriere (als Nachwuchs-Darstellerin) eher geschadet, weil sie anschließend auf einer schwarzen Liste landete und niemand sie mehr beschäftigen wollte.

o Die Oscarverleihungs-Regeln wurden vorsichtshalber dahin geändert, dass ein Gewinner keinen Stellvertreter mehr schicken darf, der den Preis für ihn annimmt.

 

Sacheen Littlefeater oder Marie Cruz wurde am 14. November 1946 in Kalifornien geboren und starb kürzlich, am 2. Oktober 2022, im Alter von 75 Jahren an Brustkrebs.

Sofort nach ihrem Tod kamen ihre beiden Schwestern Rosalind Cruz und Trudy Orlandi angaloppiert und verkündeten im Chor: Ihre Schwester sei eine Lügnerin gewesen, möge sie in Frieden ruhen. Die indianische Herkunft: kein Wort wahr. Rosalind Cruz erklärte, es sei eine Beleidigung für ihre Eltern und ein ‚ekelhafter Betrug am Erbe der indigenen Völker!‘

Da könnte ja jeder kommen, ob Marlon Brando oder so eine Fake-Indianerin, und eine Lanze für die  (ich sag mal lieber Ureinwohner der Vereinigten Staaten) brechen wollen. Was wahr ist muss wahr bleiben. Auf jeden Fall scheint die Liebe zwischen den drei mexikanischen Schwestern nicht so riesengroß gewesen zu sein.

Worauf ich eigentlich die ganze Zeit hinaus wollte: Mich hat der Auftritt im Apachen-Outfit jedenfalls auch zu etwas inspiriert! Ich fand die typisch indianischen bestickten Ohrenscheibchen so hübsch. Und als meine Schwiegertochter Lisa  kürzlich eine entsprechende Frisur trug, da fehlten mir diese Scheibchen. Also hab ich welche angefertigt, indem ich Perlen auf starkes Leinen nähte und Haarspangen an der Rückseite befestigte.

Das hab ich Lisa geschenkt. Aber so einfach ist das ja nicht. Bis vor zehn Jahren ungefähr hätten wir beide Spaß dran haben können, ich beim Basteln und sie beim Tragen.

Inzwischen jedoch müssen wir darüber nachdenken, ob das keine kulturelle Aneignung ist. Lisa ist Malteserin, ich bin ein bisschen Zigeunerin – nein, das reicht nicht.

 

Im vergangenen Jahrtausend befand ich mich öfter in Kanada. Ich lernte Western-Style-Reiten von einem Halb-Indianer, ich war befreundet mit seiner Kusine, einer Ganzundgar-Indianerin. Die stellte wunderschönen, ethnischen Schmuck aus Silber her und verkaufte ihn an Touristen. Mir schenkte sie ein paar Ohrringe. Bin ich nun eigentlich berechtigt, die zu tragen? War sie berechtigt, so was an Nicht-Indianer zu verkaufen?

Das Leben ist nicht einfacher geworden …

Glücksfaktor: Bevor es noch viel schwieriger wird, darf man in die ewigen Jagdgründe gehen.

 

 

 

 

 

 


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