Wandern


ist ein Vorwärtskommen ohne Räder, aber nicht dasselbe wie Spazierengehen. Wandern dauert länger.

Man braucht feste Schuhe. Zu fest sollten sie andererseits wieder nicht sein – das gibt Blasen.

Wandern muss per Definition zweckfrei sein (das ist etwas anderes als zwecklos). Also man geht nicht, um etwas zu befördern oder zu fliehen oder einzukaufen oder am Ziel ein Schäferstündchen zu halten. Obwohl letzteres, glaube ich, nicht verboten ist. Gewandert wird einzig um des Wanderns willen. Fotografieren darf man dabei. Reden, falls man nicht allein ist, auch. Man darf, soviel ich weiß, sogar reden, falls man doch alleine ist.

Ganz früher gab es nicht viele andere Arten, voran zu kommen. Wer weder Pferd noch Wagen noch Sänfte samt der Sänftenträger besaß, der war halt zu Fuß unterwegs. Das hieß trotzdem nicht  wandern, obwohl es später teilweise Völkerwanderung genannt worden ist. 

Eine der allerersten Erwähnungen von Wanderern finden wir im Jahr 1353 in einem Vertrag zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Erzbischof von Trier. Darin heißt es, dass Kaufleute, gemeine Leut, Pilger und so genannte ‚Wandeler‘ aus der Raubritterburg Daun in der Eifel überfallen wurden.

Und wenn auch Raubritter mindestens so störend sind wie Wespen, so scheint sich doch diese Gegend bereits im Mittelalter hervorragend zum Wandeln, nein, Wandern, geeignet zu haben.

Mit dem Aufblühen des Bürgertums im 18. Jahrhundert kam das Wandern so richtig in Gang. Der Dichter Johann Gottfried Seume trabte 1801 aus Sachsen nach Sizilien und später über Paris nach Leipzig zurück.

Mit der Romantik kam logischerweise der romantische Aspekt des Wanderns ins Spiel. Die Menschen verehrten die Natur und ihren Geist und berauschten sich an der Schönheit der Landschaft: Jetzt wurde so richtig der Weg das Ziel.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und durch die zunehmende Militarisierung bekam die Sache etwas straff Organisiertes. Man marschierte eher im Gleichschritt und sang hübsch im Takt: ‚Das Wandern ist des Müllers Lust‘ oder dergleichen. Die Natur erhielt Kästchen – Wanderwege und Wanderkarten, die bestimmten, wo es anzufangen und wo es aufzuhören hatte. Viele Wandervereine entstanden, die Schutzhütten oder Aussichtstürme bauten.

Nicht lange darauf gab es sogenannte Wandervögel. Die trugen eine Klampfe bei sich sowie Gesinnung und waren meistens zutiefst deutsch. Meine Mutter, mit ihrem Zigeunerblut, konnte sie nicht ausstehen, nannte sie ‚Latscher‘ und pflegte zu singen: „Latscher rennt, die Heide brennt!“ (Sie war eben der Tanzparkett-Typ).

Wandervögel hatten ihre große Zeit vor dem ersten und bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. Danach war zutiefst Deutschsein nicht mehr sehr populär. Seitdem wandern hierzulande wieder mehr die Individualisten.

Und dann wäre noch zu sagen, man muss nicht immer vom Anfang zum Ende eines Wanderwegs  gehen, genau nach Vorlage. Man kann auch ganz anders wandern …

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert