Wer ein bisschen von Astrologie versteht, sagt, Skorpione sind böse


Mit Betonung auf ‚ein bisschen‘. Denn das ist natürlich eine wüste Verallgemeinerung.

Tatsächlich hab ich schon mit Leuten gesprochen, die meinten, sie würden sich lieber nicht mit einem Skorpion anfreunden. Das sei ihnen zu gefährlich. (Und eine Statistik des FBI sagt aus, die meisten Serienmörder wurden im November geboren.)

Tiefgründig sind Skorpione zweifellos und geheimnisvoll. Das, was man ‚kriminelle Energie‘ nennt, wird ihnen häufig in die Wiege gelegt. Diese Energie können sie natürlich auch positiv anwenden: Die besten Kriminalbeamten, ebenfalls im November geboren, stehen gewissermaßen auf der anderen Seite des Spiegels und sind in der Lage, sich in so eine dunkle Täterseele hineinzuversetzen.

Ich hab mal ein Kindermädchen nur deshalb eingestellt, weil sie Skorpion war. Barbara, groß und rothaarig, besaß schrägstehende, tiefliegende hellgrüne Augen. Sie war noch sehr jung und ich zweifelte etwas an ihren Fähigkeiten – bis ich ihr Sternzeichen erfuhr.

„Warum gerade ich?“, fragte sie etwas misstrauisch, als wir uns verabschiedeten. „Weil ich weiß, dass Sie meinen Sohn notfalls bis zum letzten Blutstropfen verteidigen!“, antwortete ich. Sie grinste ein bisschen, kam am nächsten Morgen zum Dienst, verstand sich gut mit meinem zweijährigen Jungen und ruinierte aus Versehen meine beste Seidenbluse, mit der sie Saft vom Küchenboden aufwischte.

Aber dann zeigte sich, wie recht ich gehabt hatte. An einem trüben Nachmittag kam ich aus der Redaktion nach Hause und fand zwei ratlose Handwerker im Treppenhaus. Das waren die Monteure, die gekommen waren, um die Heizung in Arnes Zimmer zu reparieren. Sie hatten vor über einer Stunde geklingelt, wie sie mir klagend erzählten, aber diese rothaarige Bestie lasse sie nicht ins Kinderzimmer, bis das Baby aufgewacht sei! Die Zeit würden sie aber in Rechnung stellen …

„Tun Sie das!“, sagte ich. Arne hatte eine schlimme Erkältung hinter sich mit nächtelangem Husten. Er brauchte seinen Nachtmittagsschlaf, das hatte ich Barbara eingeschärft. Als ich die Wohnung betrat, stand sie vor der Kinderzimmertür, beide Arme ausgebreitet, und schaute uns finster aus ihren schrägen Augen an. Sie wirkte  exakt wie der Engel mit dem Flammenschwert, der es Unbefugten versagt, ins Paradies zu kommen. Ich zwinkerte ihr zu und meinte, die Herren von der Heizung würden zunächst mal Kaffee bekommen, danach sei mein Sohn bestimmt aufgewacht – und das stimmte auch.

Gefährliche Feinde, das will ich nicht leugnen. Doch ebenso die besten Kampfgenossen. Wenn es hart auf hart kommt und mit dem Schlimmsten zu rechnen ist, dann wünsche ich mir einen Skorpion an meiner Seite.

Glücksfaktor: etwas mehr als ein bisschen Ahnung von Astrologie.

 


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