Im November 1095, kurz vor dem Ende der Welt (glaubten viele, die dachten, tausend Jahre nach seiner Geburt würde Jesus Christus das jüngste Gericht arrangieren), arrangierte erstmal Papst Urban II eine Synode in der französischen Stadt Clermont.
Enorme Menschenmassen strömten zusammen, Kardinäle, Bischöfe, Äbte und viele Ritter, denn es sollte um eine Botschaft von großer Bedeutung gehen. Schließlich gab es derart viele Zuhörer, dass sie niemals alle in die Kathedrale gepasst hätten. Weshalb der Papst vor dem Osttor der Stadt im Freien sprach.
Was er vortrug, klang dramatisch. Er schilderte das Leiden der Christen im Heiligen Land unter den Ungläubigen. Die mochten zwar nicht ungläubig, aber andersgläubig sein. Auf jeden Fall waren sie gewillt, Christen zu vertreiben und zu töten und die Gegend sich selbst und dem Islam einzuverleiben. Wer nun ‚das Kreuz nehmen‘ würde, um Jerusalem zu befreien, der erfülle im höchsten Maße Gottes Willen.
Ein Aufruf zum Krieg – in Gottes Namen. Der Schlachtruf, der unter den Zuhörern zum ersten Mal erklang, lautete: DEUS LO VULT! Das ist schlechtes Latein und heißt Gott will es.
Wanderprediger verbreiteten die Botschaft in Europa und die Verteidiger des Christentums fanden sich massenhaft ein. Sie setzten sich aus allen Schichten zusammen, Bauern, Abenteurer und Verbrecher, aber auch Ritter und Fürstensöhne, eher die zweit- oder drittgeborenen, die nicht darauf hoffen durften, das Schloss ihres Vaters zu erben.
Die Motive, in diesen Krieg zu ziehen, waren unterschiedlichster Art, von wirklicher christlicher Begeisterung bis zur Hoffnung, reiche Beute mit nach Hause zu bringen. Eins hatte der Papst schon mal jedem versprochen: Wer hier mitkämpfte, dem wurde das Sündenkonto gestrichen und er erhielt ’nie verwelkenden Ruhm im Himmelreich‘.
Dieser erste Kreuzzug umfasste schließlich ein Heer von etwa 60.000 Kriegern und ungefähr 50.000 Pferden, das sich zu Wasser und zu Lande Richtung Jerusalem wälzte und dabei überall bereits wacker kämpfte. Dazu hatte man sich schließlich auf den Weg gemacht.
Im Oktober 1097 begannen die Kreuzfahrer mit der Belagerung von Antiochia, die sich über sieben Monate zog. Leider war die Nahrungsversorgung für das Heer kläglich. Etliche der heiligen Recken verhungerten, nicht wenige desertierten. Im Juni 1098 nahm man endlich – durch Verrat und zunächst unblutig – die Stadt ein. Gleich anschließend wurde es sehr blutig, weil die Christen alle Nichtchristen umbrachten: Deus Lo Vult.

Überraschenderweise erschien sofort darauf vor den Mauern von Antiochia ein neues muslimisches Heer unter verschiedenen Emiren, ca. 200.000 Mann. Das war ungünstig, da die Kreuzritter inzwischen aus weniger als 20.000 Mann bestanden. Und denen knurrte immer noch der Magen, weil es in der monatelang belagerten Stadt keinen Krümel zu essen gab. Jetzt waren sie zur Abwechslung selbst die Belagerten.
Um die Sache mit den fehlenden Lebensmitteln zu vertuschen, riefen sie erst einmal eine dreiwöchige Fastenzeit aus. Dann hatte ein Mönch unter ihnen eine Vision! Mitten in der Stadt sollte die Heilige Lanze vergraben sein, die mit Jesu Blut getränkt war, weil man ihn, als er am Kreuz hing, damit in die Seite gestochen hatte, um zu sehen, ob er noch lebte.
Die Kreuzfahrer begannen zu buddeln und fanden tatsächlich eine entsprechende Waffe – was sie begreiflicherweise enorm motivierte, denn es hieß, der Besitzer der Lanze sei unbesiegbar. Sie stellten sich also frischen Mutes der Übermacht zum Kampf – und schlugen sie in kürzester Zeit in die Flucht. (Wahrscheinlich, weil die Belagerer inzwischen miteinander in Streit geraten waren. Einigkeit macht stark – Uneinigkeit schwächt.)
Nun gehörte Antiochia den Siegern. Allerdings gab es immer noch nichts zu essen und sie waren gezwungen, im Umland herumzuplündern. Im Dezember 1098 begingen die frommen Christen ein wenig Kannibalismus. Ein Augenzeuge berichtete später: „In Maara kochten unsere Leute die erwachsenen Heiden in Kesseln, zogen die Kinder auf Spieße und aßen sie geröstet.“
Das hat die Ansäßigen, nicht ganz zu Unrecht, sehr beeindruckt und ihnen ein ganz bestimmtes, farbiges Bild der Eindringlinge vermittelt. Es gibt noch alte arabische Volkslieder, in denen die ‚Franken‘ als Menschenfresser bezeichnet werden. Sicherlich benahmen die sich so, weil ihnen ja Vergebung all ihrer Sünden zugesichert worden war, wenn sie nur daran teilhätten, Jerusalem zu befreien …

Das geschah schließlich im Sommer 1099, bei großer Hitze. Die islamischen Beherrscher der Stadt hatten alle Brunnen ringsum zugeschüttet und sämtliche Bäume gefällt und entfernt, damit daraus keine Belagerungstürme, Rammen und Katapulte gebaut werden konnten. Außerdem scheuchten sie schonmal die Hälfte der Christen, die in Jerusalem wohnten, aus der Stadt. Die durften nun neben dem Kreuzfahrerheer durstig im heißen Sand sitzen und abwarten, was passierte.
Die Angreifer besorgten sich mühsam Holz für ihre Angriffsmaschinen aus dem entfernt liegenden Samaria und stürzten sich tapfer in den Kampf. Der dauerte fünf verlustreiche Wochen. Am 15. Juli 1099 siegten die Kreuzfahrer, stürmten Jerusalem und gingen daran, die verbliebenen Christen gemeinsam mit den muslimischen und jüdischen Einwohnern zu massakrieren. Denn das waren leider die falschen Christen: koptische und syrische. Nur die katholischen waren am Anfang der Belagerung aus der Stadt gejagt worden. Die durften leben bleiben. Ordnung muss sein.
Historiker streiten darüber, wie viele Menschen nach diesem heiligen Krieg in Jerusalem ihr Leben lassen mussten – waren es 10.000 oder 70.000 Opfer?
Auf jeden Fall war die Stadt, um deren Besitz in der Menschheitsgeschichte so viel Blut geflossen ist, nun wieder christlich. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sagen, die Religion der Liebe hatte gesiegt.
Glücksfaktor: Die Menschen lernen. Wenn auch sehr, sehr langsam.