Wir haben ein Bucheckern-Jahr!


Rund um unser Ferienhaus in Dänemark standen eine Menge sehr hoher Bäume und dichter Büsche.

Ich guckte aus dem Wohnzimmerfenster und fragte den Löwen: „Was hat dieses Gebüsch denn da eigentlich für Knubbel?“

Und der kluge Löwe antwortete: „Das ist kein Gebüsch, das sind die tiefen Zweige von Buchen. Und was da dran hängt sind keine Knubbel, sondern Bucheckern.“

Bucheckern! Die hatte mein Vater gesammelt, ausgepult und mich damit gefüttert, als ich ein kleines Mädchen war und wir im Herbst spazieren gingen. In meiner Erinnerung waren sie dick, saftig und köstlich. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer nur welche gefunden, die dünn und eng zusammenklebten und nichts Essbares enthielten.

Ich stürzte mich also mit einem Leinenbeutel in den Garten und begann, die Buchen abzuernten, so gut ich dran kam. Sie waren ausgesprochen kooperativ, ließen mich an ihren elastischen Ästen zerren, alles noch etwas tiefer und noch etwas tiefer, damit ich auch noch an die sechs Stachelkugel da oben drankam …

Die Früchte sitzen in weichstacheligen kleinen Häuschen, wie Kastanien oder Maronen, meistens zu zweit, seltener auch mal drei oder sogar vier. Es ist schwierig, diese Behälter zu öffnen. Hat man etwas Geduld und lässt sie ein bis zwei Tage im Zimmer liegen, dann werden sie ganz zutraulich und öffnen sich von alleine.

Nach vier oder fünf Tagen kann man die abgelegten Häuschen, die sich inzwischen nach außen gebogen haben wie Seesterne oder Blumen, einfach absammeln.

Sie fühlen sich an wie mit dünnem Samt bezogenes Leder – während die Bucheckern selbst, etwa  anderthalb Zentimeter groß, glatt, dreieckig und scharfkantig, so  tun, als wären sie aus Holz.

Ich hab mal gelesen, ungefähr alle vier Jahre, selten  öfter, ist ein Bucheckernjahr. 2022 haben wir definitiv ein ganz enormes solches! (Meine Freundin Ira sagt ja auch, es sei ein ganz besonders ergibiges Apfel-Jahr.) Wenn man es weiß und darauf achtet, dann tritt man überall auf die kleinen dicken Klümpchen. Zum einen hängt das damit zusammen, dass die Buchen sich immer nach  einigen Jahren soweit erholt haben und wieder neu liefern können. Zum anderen hat es damit zu tun, dass ein Sommer besonders heiß und trocken gewesen ist.

Bucheckern sind definitiv altmodisch, wahrscheinlich einer der Gründe, weshalb ich sie so schätze. Für mich hat ‚altmodisch‘ seit jeher eine lobende Bedeutung. (Ich hab es fertigbekommen, in einer Parfümerie beim Probeschnuppern ganz begeistert zu erklären, dies dufte ‚ja richtig altmodisch!‘ – und ich werde nie das eingeschnappte Gesicht der Verkäuferin vergessen, die beleidigt versicherte, also das sei bitte die neueste Kollektion …)

In alten Zeiten – beispielsweise noch während des Zweiten Weltkriegs und hinterher – sammelten die Menschen in Europa Bucheckern, um sie zu trocknen und zu zermahlen oder ihnen Öl abzupressen. Da wir doch alle so ums Sparen bemüht sind derzeit: Dieses Öl wurde sogar als Lampenöl verwendet!

Es lässt sich, wenn’s mit etwas Dinkelmehl gemischt wird, damit backen (Bucheckernmehl enthält kein Gluten!) Bucheckern, geröstet, ergaben sogar Kaffee-Ersatz – na ja, was unsere Ahnen so in ihre Tassen ließen.

Die Kerne sind ein bisschen giftig, das muss gesagt werden, weshalb man sie nicht in größeren Mengen roh verschlingen sollte. Eine Spur Blausäure ist darin enthalten und Oxalsäure. Je nach Empfindlichkeit kann das Bauchweh und Übelkeit verursachen. Deshalb ist es sinnvoll, die Bucheckern zu rösten, das entfernt einen Großteil dieser unverdaulichen Stoffe.

Wie geht das?

Ich hab’s so gemacht: Zuerst kochendes Wasser über die noch in der Schale steckenden Kerne schütten und abkühlen lassen. Danach zunächst die ‚tauben‘, also ungefüllten Stücke absammeln, die nun oben schwimmen. Der Rest ist jetzt viel leichter aus der Schale zu lösen, am besten mit einem Obst- oder Gemüsemesser.

Ohne Fett in eine Pfanne setzen und mit Salz bestreut bei mittlerer Hitze ungefähr fünf Minuten lang rösten, ab und zu schütteln.

Das ist ein leckerer kleiner Fernseh-Snack und sicher gesünder als Chips. Interessanterweise muss gesagt werden: Die Dinger machen satt! Sie enthalten eine ganze Menge mehrfach ungesättigte Fettsäuren (der Fettgehalt  liegt bei 40%), außerdem Calcium, Eisen und Zink. Dazu kommen noch Vitamin C und Vitamin B6, also winzige Energiebomben.

Glücksfaktor: der nahrhafte Herbst …

 

 

 

 

 

 

 

 

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