Wissenschaftlich erwiesen!


Dagegen sag mal was.

Mir begegnete heute in drei verschiedenen öffentlichen Diskussionen über so unterschiedliche Themen wie Homöopathie, Klimawandel und Ernährung der völlig unwiderlegbare, triumphierende Satz: „Aber es ist schließlich wissenschaftlich erwiesen!“

Dagegen gibt es kein Argument, wenn man nicht ein ungebildeter Träumer sein will, ein emotionaler Dummkopf, womöglich ein esoterischer Vollpfosten.

Ganz streng genommen müsste es ja heißen: es ist DERZEIT wissenschaftlich erwiesen. Also heute. Oder eher gestern. Denn wenn es übermorgen nicht eventuell anders sein kann, dann darf „die Wissenschaft“ getrost gemeinsam nach Hause gehen und im Takt mit der Seele baumeln. Dann sind wir am Ende aller Erkenntnis angelangt.

Vor gar nicht so furchtbar langer Zeit war wissenschaftlich erwiesen, dass die Erde der Mittelpunkt des Welltalls ist, um die sich die Sonne dreht. Die Wissenschaft behauptete jahrhundertelang, dass Maden aus verfaulendem Fleisch ‚entstehen‘. Dass Luft aus verrotteten Substanzen Seuchen erzeugt. (Erst um 1850, nach den schweren Cholera-Epedemien in Europa, fand man heraus, dass es sich stattdessen um Mikroorganismen handeln müsse. Zwei, drei Ärzte hatten sich entsetzlich abzumühen, um sich mit dieser absurden Erklärung gegen die bis dahin geltenden wissenschaftlichen Beweise durchzusetzen.) Als wissenschaftlich erwiesen galt auch die Tatsache, dass Hysterie ein reines Frauenleiden ist, das aus der Gebärmutter kommt. Und so weiter, und so weiter.

Das Eigenartige ist, dass grundsätzlich bei jeder neuen Erkenntnis das kollektive Gefühl entsteht, nun wäre dies aber auch die endgültige. Wie Hanno Buddenbrook bemerkte: „Ich dachte, da käme nichts mehr.“

Übrigens ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Tierversuche für die Heilung menschlicher Leiden unabdingbar notwendig sind. Auch, wenn es uns leid tut: Das nützt nun mal nichts. Da müssen die Tiere durch.

Merkwürdigerweise gibt es jedoch ein Forum namens

Was ist denn mit denen los? Sind die wissenschaftlich nicht auf dem Laufenden?

Diese Ärzte behaupten, dass Tiermodelle unsere Krankheiten nicht darstellen können. Dass Tierversuche die Medizin in eine Sackgasse getrieben haben. Und dass sie – hier wird es unwissenschaftlich, weil sentimental –unethisch seien.

Sie beschreiben einige gängige Forschungsmethoden:

  • Depressionsforschung: Ratten oder Mäuse werden „erlernt hilflos“ gemacht, indem ihnen unausweichliche Elektroschocks verabreicht werden, bis die Tiere sich aufgeben. An ihnen werden alsdann Antidepressiva probiert.
  • Xenotransplantationsforschung: Pavianen wird ein Schweineherz in die Bauchhöhle verpflanzt; das Immunsystem attackiert das fremde Organ und stößt es ab, der Affe stirbt qualvoll.
  • Altersforschung: Fischen werden die Flossen abgeschnitten, um das Nachwachsen zu untersuchen.
  • Sepsisforschung: bei Schweinen wird durch Injektion von Eiterbakterien in die Blutbahn eine Blutvergiftung ausgelöst; in Herz, Lungen und Nieren entwickeln sich Abszesse, nach fünf Tagen sind die Tiere tot.
  • Krebsforschung: Genmanipulierten Mäusen werden Krebszellen in die Bauchspeicheldrüse injiziert. Es entwickeln sich Metastasen in anderen Organen, nach 4-8 Tagen sind alle Tiere tot.

Traurig. Aber es dient doch immerhin der Forschung und dem Heil der Menschheit!

Doch diese Ärzte gegen Tierversuche veröffentlichen auch folgende Behauptung:

Im Gegensatz zum Tierversuch liefern moderne tierversuchsfreie Verfahren verlässliche, für den Menschen relevante Ergebnisse und sind dazu meist auch noch kostengünstiger. Trotzdem führen diese Methoden in der tierexperimentell dominierten Forschung und Medizin ein Schattendasein. Sie sind für junge Forscher oft nicht attraktiv. Die Beschäftigung mit tierversuchsfreien Verfahren ist weder für die Karriere zuträglich, noch fließen in diesem Bereich nennenswerte Forschungsgelder. Die Bundesregierung fördert die tierversuchsfreie Forschung mit durchschnittlich 4-5 Millionen Euro jährlich, hinzu kommen einzelne Projekte einiger Bundesländer im einstelligen Millionenbereich – lächerliche Beträge verglichen mit den Milliarden, die der tierexperimentellen Forschung zur Verfügung stehen.

Seit mehr als 150 Jahren gilt die Methode Tierversuch in der Wissenschaft als „Goldstandard“, ohne dass sie jemals auf ihre medizinisch-wissenschaftliche Relevanz hin überprüft worden ist.

In die Tierversuchsforschung fließen enorme Summen in Form von Forschungsgeldern, Drittmitteln oder Stipendien.

Für die Pharmaindustrie haben Tierversuche eine Alibifunktion, da sie sie vor Regressansprüchen schützen können.

Tierversuchsfreie Forschungsmethoden werden finanziell völlig ungenügend gefördert.

Eine tierversuchsfreie Methode wird nur dann behördlich anerkannt, wenn ihre Ergebnisse „validiert“ sind, das heißt, wenn sie mit denen des entsprechenden Tierversuchs übereinstimmen. Der Tierversuch selbst wurde allerdings nie validiert. Er wird einfach akzeptiert, obwohl die Ergebnisse ungenau und nicht auf den Menschen übertragbar sind. Die Qualität neuer, sinnvoller Testsysteme wird also an einer schlechten, veralteten Methode gemessen. Aussagekräftige In-vitro-Systeme haben es daher schwer, behördlich anerkannt zu werden.

Soweit die Ärzte gegen Tierversuche.Was ist denn hier nun der Glücksfaktor? Allenfalls, dass wir doch, nach und nach, weiter kommen. Auf dem Gipfel der Erkenntnis mögen wir nie landen. Aber morgen ein wenig klüger sein als gestern, um viele Irrtümer herum. So bleibt zu hoffen, dass wir uns eines fernen Tages ganz besonders schämen werden über diese barbarische, grausame, herzlose und überflüssige Spielart der Wissenschaft …


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