Und woher kommen sie eigentlich?
(Ich schrieb vor einigen Jahren in einem Blogtext: von Parship, weil einer langen Bekannten von mir dort ständig auffallend kurze Männer angeboten wurden. Aber wenn wir ganz, ganz ehrlich sind, dann gab es Zwerge bereits, bevor die Menschheit wusste, wie man es anstellt, sich alle elf Minuten zu verlieben.) Also im Ernst: Wo kommen sie her?
Da Zwerge sich nun mal auf Berge reimen, können wir davon ausgehen, dass sie aus keiner platten Gegend kommen, wie etwa aus der Norddeutsche Tiefebene. Vielmehr sind Zwerge im Bergbau zugange. Das kann man sehr schön im ‚Hobbit‘ von Tolkin lesen. Und wer nicht lesen kann, der hat vielleicht die Filme gesehen? Dort heißen sie überwiegend so was wie Ori, Dori und Nori, auch Fili und Kili, sind recht wehrhafte Kerlchen und ziemlich verfressen.
Zwerge arbeiten meist unter den Bergen tief in der Erde, gehören zur Materie und zum Erd-Element und sind damit astrologisch Stier und Steinbock zugeordnet. Dem Steinbock, weil er auf eben diesen Bergen rumklettert, dem Stier, weil er der ‚Besitzende‘ ist. (Beide Sternzeichen gehören, wenn’s schlimm kommt, zu den Materie-Anbetern im Tierkreis.)
Zwerge wurden bereits bei Walt Disney mit den entsprechenden Bergbau-Laternchen und kleinen Steinhacken ausgestattet: Sie räumen den Bergen die Bäuche aus, sie schürfen nach Edelsteinen und Edelmetallen. Dadurch sind Zwerge, falls sie das kostbare Zeug behalten dürfen, häufig schrecklich reich, siehe Materie-Anbeter. Statt es phantasievoll auf den Kopf zu hauen, neigen sie dazu, es zu horten. Zwerge lieben es, in leise klirrenden Schatzkammern zu wohnen, in denen die goldenen Münzen durcheinander rieseln, durchsetzt von einigen juwelenbestückten Bechern und edelsteingeschmückten Kronen sowie vielen Brillantringen. (Das lässt eine gewissenVerwandtschaft erkennen mit Dagobert Duck und seinem Geldsilo, in dem er zu baden und zu tauchen pflegt. Dagobert ist zwar kein Zwerg, aber eine ziemlich kleine Ente.)
Wer schon keine Wagner-Opern hört, der kennt zumindest einen Tatort-Professor, der seine kurze Assistentin Alberich nennt. So heißt der Zwergenkönig im ‚Ring der Nibelungen‘, auch so ein Fredi, der auf einem Schatz hockt und ihn natürlich nicht rausrücken will.
Wie sehen Zwerge aus? Drollig oder putzig, dachten wir, bevor Regisseur Peter Jackson in seinen Hobbit-Filmen zeigte, dass es unter ihnen ausgesprochen attraktive Kerle gibt. Doch nicht einmal er konnte leugnen, dass sie nicht besonders hochgewachsen einherkommen.
Sie tragen für gewöhnlich Bärte und kapuzenartige Mützen, außerdem sind sie bewaffnet, und sei es nur mit einem Brieföffner, aber eher und öfter mit einem Hämmerchen, sehr sinnvoll im Bergbau.
Außer im Bergbau sind viele Zwerge als Schmiede tätig, etwa Waffenschmiede für kostbare und effektive Schwerter sowie Gold- und Silberschmiede, die aus den geschürften Metallen und Edelsteinen herrlichen Schmuck anfertigen. Wer meinen Blog aufmerksam verfolgt (hoffentlich jeder), der weiß, wo die so saßen: im Hunsrück, rund um den Rhein. In dem wurde der Nibelungenschatz, ursprünglich der von Alberich, versenkt. Manche Leute tauchen heutigentags noch danach. Die Gegend ist übrigens sowieso ziemlich zwergenverseucht; in Köln, nicht sehr weit entfernt, wuselten nachts die Heinzelmännchen (enge Verwandte der Zwerge) herum und schufteten für die Menschen – weshalb ist ziemlich rätselhaft. Nachdem jedoch eine Frau Schneider (!) die hilfreichen Knirpse mit einer Handvoll Erbsen zum Kullern brachte, haben sie diese Tätigkeit verständlicherweise aufgegeben:
Neugierig war des Schneiders Weib,
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht …
(August Kopisch)
Tja. Das hätte die Schneiderin auch lassen können.
Um die Liste der Herkunftsorte abzuschließen: Zwerge (oder Heinzelleute) stammten auch aus dem Siebengebirge – wie wir aus Schneewittchen wissen – oder dem Ruhgebiet, wo unter Tage das schwarze Gold, die Kohle, gefördert wird. Dieselbe besitzt allerdings inzwischen einen sauschlechten Ruf als Umweltschädling. Insofern werden die Zwerge lieber woanders schürfen.
Gibt es weibliche Zwerge? Darüber sind die Ansichten geteilt, von ‚lieber eher nicht‘ bis zu: Wo sollen denn sonst neue Zwerge herkommen? Bei Tolkin behauptet ein Zwerg, ich glaube, Gloin, es gäbe wohl Weibchen unter ihnen, nur fiele das nicht weiter auf, weil sie ebenfalls Bärte trügen.
Lange schien jedenfalls die Tatsache felsenfest zu stehen, dass es keine weiblichen ZDF-Mainzelmännchen – hauptberuflich Werbetrenner – gibt. Da existierte keine Frauenquote. Die Mainzelbuben waren fast fünfzig Jahre lang sehr happy als Singles und fühlen auch keine Notwendigkeit, sich zu vermehren.
Allerdings durften sich vor allem kleine Zuschauer ab 2003 für einige Monate an einer kurzen Zeichentrickserie im Kinderprogramm erfreuen: Die Mainzels. Und siehe, dort erlebte man zwei Mainzelmädchen, Lea und Zara! Sie konnten richtig sprechen, also mehr als „Gun Aamd!“ und hatten das auch ihren männlichen Gefährten verklickert. Wie ja häufig die Weibchen einer Spezies etwas wortgewandter sind als die Männchen. Doch das Format erregte offenbar keine besondere Begeisterung und verschwand wieder, die Mainzelbuben rein männlich und einsilbig hinterlassend.
Als ich im September den Hunsrück besuchte, da durfte ich eine alte, inzwischen stillgelegte Kupfermiene besichtigen. Ich hab sogar ein Beweisfoto. Gleichwohl fragt sich, wieweit es als Beweis taugt. Alles, woran man sich eventuell den Kopf stoßen könnte, wird in unserer sicherheitsbewussten Zeit mit Helm überdacht. Dazu kommt natürlich die Maske. Also, ich kann nur versichern, dass es sich beim einigermaßen zu erkennenden Rest um meine Person handelt …
In der alten Miene wurde mir einiges, das ich schon wusste, bewiesen. Beispielsweise, dass man in dieser Gegend, ob über oder unter der Erde, ständig hinauf oder hinunterklettern muss, eins von beiden.
Ich erfuhr jedoch auch Neues, vor allem über Zwerge! Und hier kommen wir endlich zu historischen Tatsachen hinter all den Sagen und Legenden.
Die Bergleute in alter Zeit nämlich waren tatsächlich kleinwüchsig. Einmal, weil es idiotisch gewesen wäre, langaufgeschossene Leute in die knappen Tunnel zu schicken. Da fing die Selektion also bereits an. Dazu kam, dass der Nachwuchs der Bergarbeiter, bereits im Kindesalter in den Schmelzhütten beschäftigt, dauernd giftige Stoffe wie Schwefel und Arsen einatmen musste, was sich auch im (stark mangelnden) Wachstum zeigte. Das bedeutete, sie eigneten sich später, erwachsen, aber keineswegs groß, hervorragend dazu, im Berg zu schuften. Ein Familienjob durch Generationen.
Ferner trugen die Bergarbeiter zwar keine Plastikhelme, doch charakteristische spitze, kapuzenartige Mützen, die mit Stroh ausgestopft waren, deshalb in die Höhe zipfelten und vor Kopfverletzungen schützten.
Der Beruf der Bergleute besaß ausgeprägte Vor- und Nachteile. Nicht mal so ungewöhnlich für die gute alte Zeit war vielleicht die 12-Stunden-Schicht, unterbrochen von 30 Minuten Pause, in der gegessen und ein Nickerchen gemacht werden konnte. Da es zeitaufwendig war, in die Tiefe des Berges zu steigen (nix Fahrstuhl, sondern vorsichtiges Herunterkraxeln auf den Aststummeln von Baumstämmen) blieb man erst mal dort und klopfte weiter nach kostbarem Material. Und durch die lange Zeit unter Tag kam den meisten bereits in mittleren Jahren – also damals so um dreißig – das Augenlicht abhanden.
Dem Gegenüber standen die Privilegien. Bergleute verfügten über das Recht, sich einen Bart wachsen zu lassen, so lang, wie sie Lust hatten, und eine Waffe zu tragen. Beides stand an sich nur dem Adel zu. Sie durften außerdem bunte Kleider tragen, waren sowohl von Steuern als auch vom Kriegsdienst befreit, besaßen Jagd- und Fischrecht. Darüber hinaus wurde ihnen ein Viertel des Arbeitslohns in Naturalien bezahlt – und zwar handelte es sich da um frisches Obst und Gemüse. Hört sich zwar an, als wären die kleinen Bergarbeiter wie die Meerschweinchen gefüttert worden, doch es tat ihnen natürlich gut. Auch, wenn sie in der zweiten Hälfte des Lebens häufig blind waren, so lag ihre Lebenserwartung doch deutlich über dem Durchschnitt der damaligen armen Bevölkerung, die sich hauptsächlich von Kornbrei ernähren musste.
Renten gab es vor mehr als vierhundert Jahren noch nicht. Doch die Vorfahren der Zwerge waren pfiffig genug, jeweils zehn Prozent ihres Arbeitslohns in eine ‚Bruderbüchse‘ einzuzahlen. (Wie wir wissen, neigen sie zum Sparen.) Daraus erhielt der nicht mehr arbeitsfähige oder auch der kranke Bergmann etwas wie Rente oder Krankengeld. Es heißt, die Bruderbüchse sei der Ursprung der Sozialfürsorge in Deutschland gewesen …
Glücksfaktor: Voraussicht!