Zwischen Wespen und mir besteht keine Freundschaft


Sie hat riesige schwarze Augen, Flügelchen und eine unglaublich schmale Taille. Eigentlich müsste sie ganz reizend sein. Mich reizt sie aber nur dazu, nach der Speisekarte zu greifen und sie platt zu machen.

Als mein Sohn noch ein Krabbelbaby war, bemerkte ich eines Tages, dass er versuchte, etwas zu kauen, was in seinem Mund raschelte. Ich holte das Geraschel hervor und hielt eine stattliche Wespe in der Hand. Sie war so schockiert, dass sie weder mein Kind noch mich stach. Deshalb schlug ich sie auch nicht mit dem Apothekerjournal platt. Ich goss sie stattdessen in durchsichtige Plastik und benutzte sie jahrelang als Briefbeschwerer.

Ich mag Bienen und Hummeln. Eine kranke Hornisse (die nichts weiter ist als eine riesenwüchsige Wespe) hab ich vor Jahren auf dem Dachboden gepflegt und mit gesüßter Milch geatzt, bis sie weiterfliegen konnte. Die war jedoch weder aggressiv noch unverschämt.

Merkwürdig, dieselben Eigenschaften, die ich an Möwen sympathisch finde – Aggression und Frechheit – missbillige ich bei Wespen.

Ich bin wirklich tierlieb. Ich bemühe mich, auch Tiere zu lieben, die mehr als vier Beine haben und  kleiner sind als eine Streichholzschachtel. Doch allein die ordinäre Hektik dieser ganz speziellen Insekten geht mir gewaltig auf die Nerven. Und immer wollen sie dasselbe essen wie ich, möglichst von meinem Teller.

Sie pflegen sich auf den Glasrand meiner Rhabarberschorle zu setzen und nachdenklich in die Tiefe zu starren, als überlegten sie, ob sie ihren Badeanzug bei sich hätten. Sie nehmen auf meiner mit viel Liebe gekochten Roten Grütze Platz und dann fliegen sie mir von dort aus ins Gesicht, um mich zu verscheuchen.

Oh, ich weiß, sie stehen unter Naturschutz. Menschen pflegen Tiere einzuteilen in schädlich und nützlich. Wenn sie nützlich sind – so wie Hühner oder Schweine – dann darf man mit ihnen alles mögliche anstellen, wogegen sie selbst protestieren würden, wenn sie könnten. Wenn sie schädlich sind schon gerade.

Nicht so bei Wespen. Die gelten zwar auch als nützlich, jedoch liefern sie für uns weder Fleisch noch Eier – also müssen sie einfach geschont werden, weil sie wichtig sind für das Öko-System. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz dürfen sie weder mutwillig beunruhigt, gefangen, verletzt oder getötet werden. Nicht beunruhigt? Wer klärt Wespen darüber auf, dass ich nicht beunruhigt  werden sollte, weil ich sonst gefährlich werden kann?

Praktischerweise gibt es unter allen Wespenarten lediglich zwei Sorten, die uns ärgern, nämlich die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe. Wie das mit den Deutschen Wespen ist, weiß ich nicht. Zu mir kommen immer nur die gemeinen.

Laut Bußgeldkatalog kann es mich in Hamburg oder Schleswig-Holstein bis zu 50.000 Euro kosten, wenn ich eine Wespe kille. (Ich nehme an, das wird umso teurer, je sadistischer ich vorgehe, etwa, indem ich ihr die Beine einzeln ausreiße und zwischendurch ihre Mutter beleidige.)

Glücklicherweise stehe ich jedoch auch unter Naturschutz. Bei Insektenstichen – und zwar keineswegs nur von Wespen, sondern sogar von solchen der gemeinen deutschen Hausmücke – bekam ich verschiedentlich Quaddeln und Juckreiz am ganzen Körper, Fieber, plus roter, tränender Augen. Von einem ganz normalen Mückenstich schwoll mir vor einigen Jahren der gesamte Unterarm und baute sich nur langsam, über zwei Wochen, wieder ab. Das passiert interessanterweise nicht zuverlässig jedes Mal, gilt jedoch als Allergiker-Merkmal.

Insofern bin ich berechtigt, mich stechender Insekten zu erwehren, ohne, dass Irgendwer mir rät, mich einfach ruhig zu verhalten und die paar Stunden still sitzenzubleiben, bis der kleine schwirrende Bösewicht einen anderen Termin wahrnehmen muss und von selbst verschwindet.

Glücksfaktor: Nein, ich gerate nicht in Panik. Ich schlage auch nicht wild um mich. Normalerweise hau ich einmal zu – und das war’s dann …

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