Zwischenspiel: Billie, die Hundekatze


Es gibt normalerweise Hunde-Menschen und Katzen-Menschen. Zwar existieren auch Exemplare, die beide Tierarten mögen und mit ihnen zusammenleben. Aber das ist seltener.

Ich hatte in meinem Leben 4 1/2 Hunde, zwei Katzen, eine Ratte, eine Maus und etwa 30 Aquarienfische, (verteilt auf mehrere Jahre), von denen die meisten ihren Namen kannten und auf Anruf herbeischwammen. Nein, nicht alle gemeinsam, weil es was zu Fressen gab. Sondern ein einziger, der, den ich gerufen hatte. Doch, das ist möglich. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde mein Herz vor allem den Hunden gehören.

Arne liebte seit jeher Katzen. (Inzwischen ist er Vater von drei wunderschönen solchen.) Als er fünf war, beschloss ich deshalb, ihm eine zu schenken. Ich kam mit einem schwarzen Katzenkind nach Hause, das wir Sibylle nannten, weil Katzen den Vokal I am meisten mögen. Übrigens war sie die erste Katze, mit der ich in einem Haushalt lebte. Ich hegte einige Vorurteile gegen meinesgleichen. Meine Mutter hatte mich, seit ich sehr klein war, Kätzchen genannt, ich glaube, weil sie meinte, ich hätte eine Katzennase: oben und unten gleich breit und mit winzigen Nasenlöchern. Eigentlich fand ich, eine Katze im Haus müsste reichen. Aber diese vierbeinige sollte ja auch Arne gehören.

Arne freute sich. Die kleine Katze war erstmal etwas scheu und wollte gern auf meinem Arm bleiben. Na gut, sie würde sich schon eingewöhnen. Abends saß sie immer noch auf meinem Arm. Nachts wollte sie auf meiner Schulter schlafen. Ich setzte sie in das hübsche Katzenkörbchen im Flur. Sie kam zurück und wollte auf meinem Bauch schlafen. Ich brachte sie zurück ins Körbchen und machte die Tür hinter mir zu. Sobald ich sie morgens wieder aufmachte, saß die kleine Sibylle mit ihren immer staunenden Augen davor, maunzte mich begeistert an und wollte auf den Arm. Sie war nett zu Arne, sie schmuste auch mit ihm, sie beachtete meinen Mann nicht weiter. Sie wollte meine Katze sein.

Ich hielt den Augenblick für gekommen, ihr etwas zu erklären: „Das ist lieb von dir, aber ich mag Hunde einfach lieber, weißt du? Mit denen kann ich spazieren gehen und sie bleiben, wenn sie gut erzogen sind, bei Fuß. Sie versenken auch nicht ihre Krallen in mein Bein, wenn ich sie zwischen den Ohren kraule. Also alles in allem – versteh das bitte. Geh zu Arne, der mag Katzen. Für den hab ich dich gekauft.“

Die sehr kleine schwarze Katze hörte gut zu und betrachtete mich aus ihren goldgrünen, staunenden Augen. Ihre Augen sagten: „Ich liebe dich.“

Billie wurde also mein Hund. 

Ich hatte viel von Katzen gehört, die den Haushalt tyrannisieren und nur das tun, was sie wollen. Billie saß oft auf meinem Schreibtisch wenn ich arbeitete, an manchen Tagen, wenn ich lange zu tun hatte, bis in die Nacht. Sie spielte dort mit nichts, sie machte nichts kaputt, sie behielt ihre Pfoten brav bei sich. Sie wartete einfach geduldig ab, bis ich Zeit für sie hatte. 

Abends gingen wir zusammen spazieren, und sie blieb bei Fuß, als ob ich sie an der Leine hielte. Wenn ich auf dem Sofa saß und sie auf meinen Schoß sprang, um gekrault zu werden, dann streckte sie ihre Pfoten nach einem Sofakissen aus, um dorthinein zu krallen und nicht in mein Bein. Kein Hund war je so brav gewesen wie diese Katze.

Hunde übrigens, also richtige Hunde, fürchtete sie. Begegnete uns unterwegs einer und es gelang mir nicht, sie schnell hochzunehmen, dann flitzte sie geschickt an einem Baumstamm empor bis ganz nach oben. Das sah toll aus. Leider machte es bedeutend mehr Probleme, wieder runter zu kommen. Manchmal schaffte sie es gewissermaßen rückwärts, mit vielen ängstlichen Blicken nach unten, wo ich sie für das letzte Stück auffing. Niemals, kein einziges Mal, auch nicht, wenn sie von hoch oben sprang, waren ihre Krallen dabei ausgefahren. Sie landete mit weichen Pfoten in meinen Armen, was sehr viel Vertrauen und, wie ich es empfand, große Rücksicht bedeutete.

Als sie erwachsen wurde, eine zarte, zierliche schwarze Schönheit, rieten mir viele kluge Leute, sie kastrieren zu lassen. Bevor ich mich dazu entschieden hatte – wurde sie rollig. Sie rollte buchstäblich und sehr verzweifelt auf dem Teppich herum, sie mauzte tragische Lieder, sie mochte nichts essen, sie widmete sich hektisch der Intimpflege, als ob ein schicker Kater erwartet würde. Wir erwarteten aber keinen. 

Ich ließ sie nicht mehr aus dem Haus, obwohl sie sich, Oberkörper voran, Pürzel erhoben, über den Teppich zur gläsernen Eingangstür schob. Ich hatte ein Katzenklo besorgt. Das benutzte sie zwar, aber sie hielt es deutlich für eine Zumutung. Sie war immer eine ‚Draußen-Katze‘ gewesen. Eines Abends kam es mir so vor, als würde sie wahnsinnig. Sie versuchte, sich durch ein ganz enges, schräg geklapptes Fensterchen hoch oben zu zwängen, was nicht funktionierte. Dann kam sie zu mir, blickte mich an und sagte: „Wie kannst du so grausam sein? Siehst du nicht, wie ich leide? Ich brauche unbedingt einen Kater, oder ich sterbe! Ich bitte dich, kennst du etwa nicht diesen Zustand?!“

Ich öffnete ihr die Haustür.

Billie blieb zwei Tage lang weg, ich dachte schon, ich hätte sie verloren. Eine Nachbarin machte mir eine Szene, weil ich die Katze rausgelassen hatte. Es klang so, als ob die Welt unterginge, wenn noch eine einzige kleine Katze geboren würde. Die Nachbarin ereiferte sich und wurde ausführlich. Jedes, schlichtweg jedes Haustier – außer Nutztieren, versteht sich – sollte ihrer Meinung nach kastriert oder sterilisiert werden. Was sie auseinandersetzte, klang absolut vernünftig. Ich sagte trotzdem: „Ich halte das für einen lustfeindlichen Standpunkt.“ Sie stand auf, verließ unser Haus und grüßte mich nicht mehr.

Billie saß am übernächsten Morgen vor der Haustür, schmuste sich in meine Hand, schnurrte und erklärte, es ginge ihr prima. Das konnte man ihr ansehen. Sie wirkte entspannt, glücklich, wie aus dem Urlaub. Wir warteten eine Weile auf Katzenbabys, aber vielleicht kannte sie eine gute Verhütungsmethode.

Weil man mir von allen Seiten zusetzte, ließ ich sie schließlich kastrieren. Ich brachte sie nach dem Eingriff nach Hause zurück und legte sie in ihren Korb. Sie hob den Kopf, blickte mich an und sagte: „Wie konntest du das tun?! Ich dachte, du bist meine Freundin …“

Es dauerte einige Wochen, bis sie in der Lage war, mir zu verzeihen. In dieser Zeit sprach sie nicht mit mir, sie ging auch abends nicht mit mir spazieren. Meistens lag sie in ihrem Korb, das Kinn auf den Rand gestützt, und blickte müde vor sich hin.

Dass ich Billie habe kastrieren lassen, gehört tatsächlich zu den Dingen in meinem Leben, die ich bereue. Nein, danke, mir braucht niemand von vorn zu erklären, wieso das gut und vernünftig ist. Ich kenne sämtliche Argumente …

Glücksfaktor: Wir sind später wieder Freunde geworden.

 

 

 

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