Richard Widmark wurde am 26. Dezember 1914 geboren


und zwar in Minnesota. In diesem amerikanischen Bundesstaat leben viele Schweden. Auch Widmarks Eltern stammten von dort. Er selbst, blond, etwas sommersprossig, mit hellen Wimpern,  tiefliegenden dunkelblauen Augen und hohen Wangenknochen, sah sein Leben lang so schwedisch aus wie Kalle Blomquist.

Richard Widmark passte in überhaupt kein Filmstar-Klischee. Bevor er sich für den Job eines Schauspielers entschied, studierte er Jura, Philosophie und Dramatische Kunst und promovierte in politischen Wissenschaften. Ehe er 30 Jahre alt war, unterrichtete er an einer Universität in Illionois Sprachen und Dramaturgie. Mit 32 war er bereits außerordentlicher Professor. Seine Ehe mit Jean Hazlewood, einer Schriftstellerin, galt als besonders glücklich und dauerte 55 Jahre, bis zu ihrem Tod. Er hatte offenbar nie das geringste Interesse daran, fremdzugehen – ziemlich ungewöhnlich für Hollywood-Verhältnisse. Ein richtiger, guter Steinbock eben.

Widmark begann seine Schauspiel-Karriere als Bösewicht. Er verfügte über das schmutzigste Kichern in der westlichen Hemisphäre sowie ein irres linksseitiges Grinsen und er spielte geraume Zeit immer nur kaputte Mörder, bevor er mal zu den guten Helden überwechselte. Seine erste Filmrolle (Im Film Kiss of Death) zeigt ihn als sadistischen Auftragskiller, der in Ermanglung des vereinbarten Opfers einfach dessen querschnittgelähmte Mutter am Rollstuhl festbindet und die Treppe runter schickt. Nach dieser Untat verlieh man ihm den Golden Globe als bester Nachwuchsdarsteller und nominierte ihn für den Oscar. Außerdem kam die Filmproduktionsfirma 20th Century Fox mit einem der berühmten Siebenjahresverträge angestürzt.

Über mehr als 40 Jahre spielte Widmark erfolgreich recht unterschiedliche Rollen in sehr verschiedenen Filmen, manchmal auch mal wieder als Ekel, meistens jedoch als Held. Wenn es ihm zusagte, verschmähte er keine Nebenrolle. Er war Gesetzeshüter und Gesetzesbrecher, Wikinger, Dauphin, U-Boot-Kommandant und besonders gern im wilden Westen unterwegs, weil er Dreharbeiten in der Natur schätzte und Pferde liebte. Waffen übrigens, obwohl er sie in Gangster- und Wildwest-Filmen gebrauchte, verabscheute er und setzte sich immer wieder für ein verschärftes Waffenrecht in Amerika ein.

Im Alter zog er sich mehr und mehr auf seine Farm in Connecticut zurück. Mit 82, zwei Jahre, nachdem seine Jean gestorben war, heiratete er noch einmal, die damals 68jährige Susan Blanchard. (Die dürfte das als Erleichterung empfunden haben, denn sie hatte das Pech, bereits mal mit Henry Fonda verheiratet gewesen zu sein. Der war zwar schön von Angesicht – auch Geschmackssache – besaß jedoch offenbar einen reichlich verbogenen Charakter.) Diese Ehe hielt bis zu Widmarks Tod. Er wurde 93 Jahre alt.

Mir persönlich fällt zu Richard Widmark immer sofort ein besonderes Merkmal ein, das meine Freundin Ute und ich irgendwann Ende der 70er entdeckten. Ich besuchte sie eines Abends und sie hatte mit ihrem Videorecorder einen alten Schwarzweiß-Film aufgenommen, in dem der Schauspieler eine Hauptrolle spielte. Der Film – von 1953 – hieß Pickup on South Street und hatte den ungewöhnlich idiotischen deutschen Titel erhalten: ‚Polizei greift ein‘. Richard Widmark spielte einen Taschendieb, der gleich zu Beginn auf durchaus nicht unerotische Art während einer U-Bahn-Fahrt in  der Handtasche einer hübschen jungen Dame, die nichts davon bemerkt, herumstöbert. Was er erwischt, ist ein Microfilm – denn es geht um Spionage im Kalten Krieg. Später bricht sie in sein Hausboot ein, um das Ding zurückzubekommen und wird von ihm niedergeschlagen. Nachdem er  erkennt, wer der Einbrecher ist, massiert er ihr das misshandelte Kinn und geht schließlich dazu über, sie zu küssen.

Als die Szene zuende war – für Interessenten: die Küsserei befindet sich auf ca. Minute 35 des Films, und den kann man auf YouTube in ganzer Länge sehen – sagten Ute und ich im Chor: „Nochmal!“ Da sich der Film erfreulicherweise auf dem Videoband befand, war das kein Problem. (In einer späteren Szene übrigens wurde noch mehr geküsst.)  Wir kamen zu dem Schluss, dass dieser Richard Widmark der beste Küsser aller Zeiten sei. Nachdem wir den Fall studierten und weitere alte Filme mit dem Darsteller auftrieben, bestätigte sich diese Theorie.

Glücksfaktor: Kommt drauf an, was man wichtig findet …

 

35. Minute

 


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